"Man muss verstehen, wie Bäume ticken"
Prof. Dr. Andreas Roloff ist einer der renommiertesten Baum-Fachleute in Deutschland. Die neue Ausgabe seines Handbuchs der Baumdiagnostik erscheint im September. Im Interview erklärt er, warum wir dieses Buch brauchen und wie wir es in der Praxis nutzen.
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FM: In Ihrem Werk vermitteln Sie unter anderem, wie man die Körpersprache eines Baums und Symptome versteht. Warum brauchen wir dieses Buch?
Prof. Dr. Andreas Roloff: Wenn man Bäume optimal pflegen und verwenden will, muss man verstehen, wie sie "ticken"- was sie uns "erzählen" - durch ihre Gestalt und was hinter bestimmten Symptomen stecken kann. Oft sind mehrere Ursachen möglich - diese Vielfalt an Erklärungen muss man zulassen und beachten.
Ohne praktische Übung geht es nicht. Wie lässt sich der im Buch beschriebene Stoff draußen am besten üben bzw. festigen?
Durch Anwendung in der Baumkontrolle (für Profis), Symptome suchen (auch für Laien) und die Erklärungen zum Hintergrund lesen.
Sie kommen laut Vorwort ohne technische Hilfsmittel aus. Zur genauen Diagnose muss man jedoch genau hinschauen. Was ist aus Ihrer Sicht nützlich bzw. notwendig?
Zunächst gilt: Um so mehr Erfahrung man mit Bäumen hat, umso besser versteht man sie - vor allem, wenn man zu bestimmten Schlüssen gekommen ist und dies ein paar Jahre später nochmal checkt, ob etwas wie erwartet eingetreten ist bzw. richtig war. Bei der regelmäßigen Baumkontrolle ist gesetzlich ausdrücklich die Inaugenscheinnahme ohne Geräte angesagt, nur kleine technische Hilfsmittel sind sinnvoll, wie zum Beispiel ein Fernglas, ein Gummihammer, ein Metallstab, eine LED-Taschenlampe u.ä.
Wie wichtig ist es, sich auch die Umgebung des Baums mit all ihren Bedingungen anzuschauen und dies in die Diagnostik einzubeziehen?
Dabei sind vor allem das stammnahe Umfeld (Bodenoberfläche: zum Beispiel Versiegelung, Baumaßnahmen) und sonstige Umgebungseinflüsse auf den Baum einzubeziehen (zum Beispiel Nähe zu Straßen oder Bauwerken).
Welche Fehler werden bei der Diagnose häufig gemacht und was wünschen Sie sich für die Praxis?
Siehe erste Frage, zum Beispiel Berücksichtigung von nur einer Ursache, wenn es mehrere gibt. Beispiel: "wenn Beule (am Stamm), dann Fäule" (im Inneren). Das führt zu falschen Schlüssen und Maßnahmen, denn eine Stammbeule kann fünf verschiedene Ursachen haben.
Welche sind das?
nach Häufigkeit:
- alte Veredlungsstelle
- Tumor
- Maserknollen
- innere Fäule
- lokale Zuwachssteigerung um Knospen herum.
Wie groß ist der Stellenwert der Diagnostik in Ihren Studiengängen? Soll dies Ihrer Meinung nach auch einen höheren Stellenwert bei den Abschlüssen in Baumpflege und Baumkontrolle sowie bei Sachverständigen bekommen?
Bei der Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung von Baumkontrolleuren erhält die Diagnostik einen großen Stellenwert, wohl den größten überhaupt. Diese wird auch maßgeblich durch praktische Übungen draußen an Bäumen vermittelt.
Wo können wir Sie das nächste Mal live erleben?
Das nächste Mal ist in Berlin auf der ARBOR-Tagung am 3. Juni um 10 bis 11.30 Uhr im Späth-Arboretum.
Vielen Dank!
Prof. Dr. Andreas Roloff leitet seit 1. Januar 1994 die Professur für Forstbotanik am Institut für Forstbotanik und Forstzoologie an der Technischen Universität Dresden (Tharandt), dessen Direktor er ist. Zudem ist er Direktor des Forstbotanischen Gartens Tharandt und Leiter des Kuratoriums Nationalerbe-Bäume (siehe Video oben), Autor zahlreicher Bücher und anderer Fachveröffentlichungen sowie begehrter Referent auf Fachveranstaltungen. Auf den Deutschen Baumpflegetagen hält er seit 24 Jahren Vorträge - dann ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt.
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