Trennt Kontrolle und Pflege!
Unter der Rubrik "Kommentar" setzen sich Fachleute mit ihrer Branche oder einem Fachthema auseinander. Der öbv Sachverständige Wolfgang Lehnen aus Wallerfangen im Saarland findet es problematisch, dass Baumkontrolle und Baumpflege oft in der Hand ein und derselben Firma liegen - eine Folge der Ausschreibungspraxis, in der der Preis hauptausschlaggebend ist.
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Eine gute Pflege etablierter Baumbestände bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor. Und hier liegt einiges im Argen. Durch EU-Verordnungen, Bundesgesetze sowie Vorgaben in den lokalen Rathäusern geht vieles oder gar alles leider nur noch über den Preis. Durch verlangte Ausschreibungen werden zu oft Firmen berücksichtigt, welche absolut fehlbesetzt sind. Mangelhafte Qualität in der Baumpflege und somit steigende Kosten, um solche Bäume zu erhalten, sind die logische Folge. Aber die Folgekosten haben ja nichts mit der Ausschreibung zu tun, stellen diese ja einen separaten Posten im Haushalt. Ausschreibung gut, alles gut!
Es vergeht leider fast kein Tag, an dem ich mit solchen Fehlleistungen nicht konfrontiert bin. Fehler in der Schnittführung, unnötige Maßnahmen und die daraus folgenden Schäden am etablierten Grün sind täglicher Wahnsinn - und diese Worte wähle ich bewusst! Das Problem beginnt meist bereits bei der Baumkontrolle. Hier werden durch Unsicherheit, mangelnde Erfahrung oder fehlende fachliche Kompetenz sehr oft Maßnahmen benannt, welche absolut unnötig sind und Kosten produzieren. Hier nicht mehr auf den Preis, sondern auf nachweisliche Qualifikationen und Qualität zu setzen, sollte Ansinnen aller Baumeigentümer werden. Aber sie dürfen es nicht.
Ich mache hier keinem Sachbearbeiter einen Vorwurf - die Vorgaben kommen ja aus anderen Häusern. Mittelfristig amortisieren sich die anfänglich höheren Kosten in einer qualitativ hochwertigen Baumkontrolle und Baumpflege. Es lohnt sich, auf Qualität zu setzen und nicht auf den niedrigsten Preis. Gegenwärtig sind jedoch viele Angebote rechnerisch und wirtschaftlich in keiner Weise nachvollziehbar. Hier ist aus meiner Sicht die Politik gefordert, denn wenn kein Umdenken in der Finanzierung solcher Maßnahmen einsetzt, sehe ich für unser Grün leider Schwarz.
Ein noch größeres Problem stellt sich aus meiner Sicht, wenn Firmen, die die Baumpflege anbieten, gleichzeitig die Baumkontrolle umsetzen. Ich behaupte absolut nicht, dass sich jede Firma, die dies praktiziert, selbst Folgeaufträge generiert, aber es ist leider sehr oft gängige Praxis. Die Baumkontrolle wird preislich verramscht, und mit der folgenden Pflege wird der Verlust kompensiert. Auch eine Möglichkeit, aber eine, die ich offen anprangere. Auch hier, also in der benannten Konstellation, werden unnötige Maßnahmen benannt. Und nur in seltenen Fällen werden Maßnahmen auch durch den Baumbesitzer hinterfragt oder gar kontrolliert! Kontrolle und Pflege sind hier aus meiner Sicht klar zu trennen.
Eine kleine Beispielrechnung
Firma X, welche mit einer Kolonne bundesweit mit Baumkontrolle aktiv ist, bietet die Baumkontrolle für 3 € je Baum an. Meist inklusive Fahrtkosten. Wir rechnen mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 12 min am Baum. Dies bedeutet, der Kontrolleur kann in einer Zeitstunde 5 Bäume kontrollieren. In dieser Kalkulation sind die Wege von Baum zu Baum inbegriffen, die eigentliche Zeit am Baum ist also elementar geringer.
Firma X generiert also in einer Zeitstunde 15 € brutto inklusive aller Nebenkosten. Bleiben rechnerisch ca.7,50 € /h netto. Wenn der Mitarbeiter, der die Bäume exekutiv kontrolliert, nach Mindestlohn bezahlt wird, macht Unternehmen X in jeder Stunde ein wirtschaftliches Minus. Aus welchem Grund rechnet sich die Kontrolle für Firma X dennoch?
Die Antwort ist sehr einfach gegeben: Der Baumkontrolleur wird oftmals nicht auf Stundenbasis gezahlt, sondern bekommt einen Wert je kontrolliertem Baum. Und hier liegt das nächste Problem. Damit der Kontrolleur am Ende des Tages auch ein Einkommen generiert hat, legt man erneut keinen Wert auf Qualität, sondern auf Masse! Viel Baum, viel Geld.
Haftungsübernahme ist absolut nicht gewollt bei dem Verdienst. Ergo wird ein Vielfaches an Maßnahmen benannt, damit der Kontrolleur „seinen Rücken sauber hat“. Es entsteht eine Spirale, welche weder dem etablierten Grün, noch dem Aufraggeber zuträglich ist.
Ich erlebe es oft, dass in einem bestehenden Baumkataster der Maßnahmenkatalog bei 20 % und mehr liegt! Ich selbst liege im Schnitt bei 2 bis 3 %. Den ersparten Kostenfaktor kann sich nun jeder Baumbesitzer selbst ausrechnen.
Ebenso sollte jedem Baumkontrolleur klar sein, dass er nicht nur die Kontrolle als Dienstleistung verkauft, sondern auch die Übernahme der Haftung. Dies muss unbedingt jedem Auftraggeber kommuniziert werden, da man ansonsten seine erbrachte Arbeitsleistung schmälert.
Ich höre oft „Der Auftraggeber bezahlt aber nicht mehr.“ Diese Aussage kann und will ich nicht verstehen. Wenn JEDER seine Preise mal auf das gebotene Niveau anpasst und die Hintergründe klar bespricht, wird der Auftraggeber keine andere Wahl haben. Die Übernahme der Haftung stellt den Posten der Kosten, nicht nur die reine Kontrolle! Baumkontrolle = Ingenieursleistung!!!
Fazit: In Bereichen in welchen es um Nachhaltigkeit geht, sollten Kommunen, Städte und sonstige öffentliche Träger die Möglichkeit erhalten, nach gebotener Qualität und nicht nur nach dem günstigsten (billigsten) Preis zu vergeben! Dies spart mittelfristig monetäre Werte und bringt langfristig dringend benötigte Qualität ans Grün! Ich sage schon mal Danke!