Wasser von allen Seiten
Im Saarland waren die Straßen noch nicht wieder trocken, als in Baden-Württemberg und Bayern viele Regionen Land unter gingen. Trotz früher Vorhersagen ließen sich die Auswirkungen nur bedingt in Grenzen halten. Wenn es innerhalb von 72 Stunden so viel regnet, wie sonst in einem Monat (mancherorts sogar bis doppelt so viel), lassen sich in unserer dicht besiedelten Landschaft Schäden nicht vermeiden. Umso ärgerlicher ist es da, wenn der bloßen Stimmenfängerei wegen Ursachen relativiert werden und notwendige Maßnahmen ausbleiben. Denn jeder Überschwemmung ist die Summe von Millionen von Einzelereignissen, die sich dann zu einer Katastrophe aufsummieren. Und die „Jahrhunderthochwasser“ kommen mittlerweile so regelmäßig, dass die Begrifflichkeit albern wirkt.
Es ist angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung, der trägen Klimaanpassungsmaßnahmen und der Größe der Aufgabe illusorisch, zu glauben, man werde in Zukunft Überschwemmungen verhindern können. Aber was sehr wohl möglich wäre, ist, ihr Ausmaß und ihre Auswirkungen zu beschränken. Dabei sind die Kommunen in den Überschwemmungsgebieten auf die Solidarität der übrigen Städte und Gemeinden angewiesen. Je effektiver es diesen gelingt, die Wasserströme in der Nähe der Quelle ihrer Entstehung aufzuhalten, desto geringer fallen die Fluten an den Unterläufen aus. Dafür steht eine riesige Palette von Maßnahmen zur Verfügung, die von der Schaffung von Pufferstreifen, über die Ausweisung von Überflutungsflächen und die Festlegung von Regenwassersatzungen bis zum Bau von Regenrückhaltebecken reichen. Es braucht dafür genaue Beobachtungen, wo in einer Gemeinde die Wasserströme anfallen und welche Stakeholder einbezogen werden müssen. Erste Prämisse muss es sein, den alten Grundsatz „nach mir die Sintflut“ über Bord zu werfen und das Prinzip Rückhaltung vor das Prinzip Ableitung zu stellen. Das jahrzehntelange Vertiefen der Gräben erhöht nicht nur die Schadenswahrscheinlichkeit an den Unterläufen, sondern verursacht zusätzliche Probleme vor Ort in den Dürrephasen – die auch zunehmen werden.
Die kommunale Landschaft klimagerecht umzugestalten ist kein Sprint. Es ist eine Mammutaufgabe, die nicht im Bierzelt gelöst wird, sondern durch geduldiges Verhandeln, Mitnehmen und Umsetzen. Sie erfordert um- und mitzudenken und sich bei den vielen Maßnahmen, die im Jahresverlauf im kommunalen Alltag umgesetzt werden, Gedanken darüber zu machen, wie sie sich auf Extremereignisse auswirken könnten. Alle Akteure müssen dabei Hand in Hand arbeiten, von den unterschiedlichen Behörden, über die Landwirtschaft bis zu den privaten Grundstückseigentümern. Jeder kann seinen Teil zum Hochwasserschutz beitragen.
Nichts zu tun und die Bilder zu beklagen, ist aber die schlechteste aller Lösungen.
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