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Corthum-Fachseminar 2019

„Baumfitness“, unterschiedliche Staudenkonzepte, kommunale Rasenflächen und moderne multifunktionelle Regenwasserräume

Inzwischen hat es Tradition, das corthum-Fachseminar im Februar jeden Jahres. Bereits zum 14. Mal lud das Erdenwerk in Marxzell bei Pforzheim Landschaftsarchitekten, kommunale Entscheider und Verarbeiter zu vier hochkarätigen Fachvorträgen ein. Dabei ging es um die Beurteilung der Vitalität von Bäumen, um verschiedene dauerhafte Staudenkonzepte, funktionierende kommunale Rasenflächen und multifunktionelle Regenwasserräume. Das Seminar hat mittlerweile einen so hohen Stellenwert in der Branche, dass es auch in diesem Jahr wesentlich mehr Anmeldungen als Plätze gab.

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Corthum
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Caroline Hensel, angehende Forstwissenschaftlerin an der TU in Dresden und Deutsche Baumkönigin des Jahres, stellte zu Beginn den Baum des Jahres, die heute kaum noch bekannte Flatterulme (Ulmus laevis), vor. Trotz der geliebten feuchten Standorte toleriert diese Baumart selbst trockenwarmes Stadtklima gut und ist recht tolerant gegenüber Luftverschmutzung, Streusalz und Bodenverdichtung – also durchaus ein Klimabaum mit Zukunft. Vermehrte Baumpflanzungen in diesem Jahr sollen das Überleben der selten gewordenen Flatterulme sichern.

Aktuelles zur Vitalitätsbeurteilung von Bäumen

Prof. Dr. Andreas Roloff von der Technischen Universität Dresden referierte über die Vitalitätsbeurteilung von Bäumen in der Praxis. Wissenschaftliche Methoden, wie physiologische Messungen der Photosynthese und des Wasserhaushaltes sind für Baumgutachter in der Praxis zu zeitintensiv, zu teuer und somit unpraktikabel. Deshalb ist Roloffs Anspruch ein schnell erlernbares und umsetzbares Verfahren. 

Dabei sind die Kronenentwicklung inklusive diverser Kronenreaktionen die wichtigsten Merkmale zur Altersabschätzung. Roloff teilt die Bäume hierfür zuerst in kurzlebige (80 bis 100 Jahre Lebenszeit), mittelalte (150 bis 300 Jahre) und langlebige Baumarten mit über 400 Jahren Lebenserwartung ein. Apfel, Birne, Sand- und Moorbirken, Schwarz-Erlen und andere gehören zu den kurzlebigen Arten. Rotbuche, Silber-Weide, Spitz- und Bergahorn und auch die Flatterulme sind Beispiele für mittelalte Bäume. Zu den langlebigen Baumarten zählen beispielsweise Gingko, Sommer- und Winterlinde, Eibe, Esskastanie, Stil- und Traubeneiche. Die Lebensdauer eines Baumes gliedert Roloff dabei in 10 verschiedene Lebensphasen, die der Wissenschaftler wie folgt benennt: Als erstes kommt die Jugend-Phase mit dem Kronenaufbau und einem starken Höhenwachstum, daran schließt sich die Explorations-Phase mit einem Netzwerk von Langtrieben im Wipfelbereich an. Sogenannte Flaschenbürsten- und längliche Strukturen leiten bereits die Degenerations-Phase ein, was heißt, das Längenwachstum ist ausgereizt. Krallen- und Pinselstrukturen zeigen die Stagnations-Phase an, an die sich die Retraktions-Phase mit dem Absterben mehrerer Hauptachsen im Wipfelbereich anschließt. Die Kronenrückbau-Phase geht mit dem Aufbau einer mittelhohen Sekundärkrone einher und in der Baumveteran-Phase verdichtet sich diese, es kann zudem zu Stammöffnungen und -fäule kommen. In der Zerfalls-Phase splittet sich der Stamm in Teilbäume, was bei Linden mit ihren typischen jungen Wurzelaustrieben, also natürlichen Klonen, einhergeht. Phase IX ist die Baummonument-Phase, in der bereits wieder mehrere eigenständige Individuen existieren. „Der Umfang wird in dieser Phase zum letzten Mal noch um alle Teile gemessen“, erläutert der Experte. Der älteste Gingko-Klon steht südöstliche von Shanghai in der fünften Generation und könnte rund 5.000 Jahre alt sein. „Die zehnte Phase wird Verjüngungs-Phase genannt und hier werden dann die Bäume wieder dünner in der Datenbank“, erklärt Roloff. Die Phasen des Stillstands und des Rückzuges dauern wesentlich länger als die Wuchsphasen. „Eine 80-jährige Birke ist bereits ein alter Baum, während eine 80-jährige Eiche sich erst in der späten Jugend befindet“, schlägt Roloff den Bogen zur Einteilung in die Lebenserwartungs-Gruppen.

Vitalitätsinterpretationen

Vitalität bedeutet Lebenskraft und in eine Vitalitätsbeurteilung fließen deshalb Wachstum, Kronenaufbau und -struktur, Zustand der Belaubung, Anpassungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit, Krankheiten, Schädlinge und Regenerationsfähigkeit mit ein. Die Vitalitätsstufe (VS) 0 ist dabei die beste Bewertung und bedeutet, dem Baum geht es dem Alter entsprechend gut. VS 3 ist die schlechteste Beurteilung und in jüngerem Alter ein Warnsignal. Bei langlebigen Baumarten kann sie in höherem Alter lange Zeit normal („altersentsprechend“) sein. Die Charakteristika der Vitalitätsstufen lässt sich sehr einfach durch das Roloff’sche Handmodell darstellen: Die offene Handfläche mit ausgestreckten geschlossenen Fingern entsprich dem Langtrieb Modus, also VS 0. Die geöffneten gestreckten Finger stehen für den Bürsten-Modus und somit VS 1. Nach innen gekrallte Finger sind der Kurztrieb-Modus VS 2 mit Pinsel, Büscheln und „Krallen“. VS 3 ist die geballte Faust mit Daumen nach unten, für den Rückzugs-Modus. „Mit diesen einfachen Handmodell kommen sogar meine nicht baumaffinen Schwiegersöhne klar und wissen sofort, in welchem Modus sich diverse Kandidaten befinden, um die man bei Familienterminen mit mir einfach nicht herumkommt“, erklärt Roloff lachend.

Ist die nachlassende Vitalität allein durch zunehmendes Alter bedingt, ist sie meist kein Schadensfall. Eine vorzeitig diagnostizierte Alterung ist jedoch als Warnung zu verstehen. Ist bereits in jungen Jahren eine Vergreisung mit einer Vitalitätsstufe 3 feststellbar, hat der Baum ein Problem. Wird eine Eiche mit 50 Jahren mit VS 3 bewertet, ist dies ein dramatisches Warnsignal und betrifft beispielsweise einige Eichen vor dem Reichstag in Berlin. „Diese Pflanzen sind keinen Zentimeter aus ihren Ballen herausgewachsen und irgendwann reichten die Wurzeln nicht mehr aus, um die größer werdenden Kronen zu versorgen“, so Roloffs Erklärung. „Bekommt eine langlebige Baumart eine VS 2 bei einem geschätzten Alter von 175 Jahren, so ist dies völlig normal und dieser Baum kann noch mehrere 100 Jahre gut weiterleben“, erklärt der Professor. Für gekappte oder stark eingekürzte Bäume, wie sie leider häufig in Städten anzutreffen sind, ist eine Beurteilung anhand der Vitalitätsstufen hingegen nicht mehr möglich. Hierfür gibt es die sogenannten Regenerationsstufen von RS 0 bis RS 3, die jedoch frühestens zwei Jahre nach der Maßnahme angewendet werden, um den Bäumen ausreichend Zeit für Reaktionen zu geben. Wer tiefer in dieses Thema einsteigen möchte, dem sei das Buch von Prof. Dr. Roloff „Vitalitätsbeurteilungen von Bäumen – Aktueller Stand und Weiterentwicklung“ empfohlen, das letztes Jahr erschienen ist. In den letzten Monaten wurden die FLL-Baumkontrollrichtlinien überarbeitet. Sie werden im Mai 2019 als Gelbdruck veröffentlicht und erscheinen, nach Einarbeitung oder Ablehnung aller Einsprüche, laut Roloff hoffentlich zum Jahresende.

Weitere Informationen unter https://corthum.de/download/#fachseminare

 

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