Schwammstadt und Rigolen – wirklich nur Vorteile?
Zum Thema Schwammstadtkonzepte und Baumrigolen, die zurzeit diskutiert und als Möglichkeit der Wasserversorgung von Stadtbäumen geplant werden, gibt es nicht nur Zustimmung. Der Eintrag von Schadstoffen in den Wurzelraum kann ein Nachteil sein.
von Redaktion erschienen am 26.03.2024Wolfgang Lehnen aus Wallerfangen ist öbv Sachverständiger für Baumstatik, Baumsanierung & Schadpilze am Baum. Er hat sich kritisch zu Schwammstadtkonzepten und Rigolen geäußert:
„Momentan redet jeder über die Schwammstadtkonzepte und in einem Atemzug über den Verbau von Rigolen. Rigolen bieten natürlich eine Vielzahl Vorteilen, um den Standort eines Baumes zu verbessern oder einen neu gewählten Standort für den Baum verträglicher zu gestalten. Viele Kommunen springen blind darauf an, es fehlt ja oft der Sachverstand, und man verlässt sich auf die Firmen, die diese Produkte bewerben und verkaufen. Was mir in Gänze fehlt, ist eine wertschöpfende Auseinandersetzung und vor allem eine Offenlegung der negativen Eigenschaften von Rigolen.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Oberflächenwasser wird gebunden und dem Baum zur Verfügung gestellt, was in wasserarmen Zeiten wichtig ist. Aber gibt es nur diesen Vorteil? Die Antwort ist ein klares Nein! Besonders im urbanen Raum sind Baumstandorte vielerorts massiv dem Eintrag von Schadstoffen ausgesetzt. Vor allem unsere Straßenbegleitbäume müssen hier einiges wegstecken, um an ihrem Standort zu überleben. Streusalz im Winterdienst setzt den Bäumen jetzt schon zu. Gummiabrieb der Reifen vorbeifahrender Autos wird an den Baum getragen, Mikroplastik und sonstige Schadstoffe landen in der Baumscheibe.
Bei offenen Baumscheiben kann zumindest ein Teil dieser Schadstoffe bei Regen wieder abgeschwemmt werden. Sobald Rigolen verbaut sind, werden eben die benannten Schadstoffe nicht mehr ausgeschwemmt und verbleiben teils hochkonzentriert am Baum. Beigemischte Substrate, die nach Aussage der Hersteller eben diese Schadstoffe „filtern“, haben bis dato keine wissenschaftliche Grundlage hierzu offengelegt. Man führt also einen „Feldversuch“ am lebenden Baum durch.
Rigolen sind faktisch eine sinnvolle Ergänzung, um einen Standort zu verbessern, sollten jedoch nicht als Wunderwaffe gelten. Der Einsatz sollte selektiv und gut durchdacht vollzogen werden. Eine regelmäßige Überprüfung des Bodens auf eventuelle Schadstoffe ist aus meiner Sicht elementar. Nur so kann man die gebotenen Vorteile der Rigolen auch sinnvoll und zielführend einsetzen.“
Jörg Jaroszewski, Leiter der Stadtgärtnerei der Stadt Stein bei Nürnberg, hat auf den Landespflegetagen in Veitshöchheim kürzlich das Baumrigolen-Konzept seiner Stadt vorgestellt. Er antwortet auf die Stellungnahme von Wolfgang Lehnen wie folgt:
„Ich verstehe die Sorge um die Stadtbäume nur zu gut. Was passiert, wenn wir Fehler machen, die langfristig unsere schon gestressten Stadtbäume gefährden? Viele unbekannte Faktoren nehmen Einfluss auf unser Handeln und hemmen zum Teil noch viele Verwaltungen und Planer, hier weiter voranzuschreiten. Deshalb würde ich gerne differenzieren, worüber wir hier eigentlich reden. Ich verstehe Schwammstadtkonzepte mit Baumrigolen überwiegend als ein Instrument bei der Neuanlage von Quartieren, Stadtvierteln oder kleineren urbanen Bereichen. Darüber hinaus wird es im Bestand kaum möglich sein, Baumrigolen für Altbäume herzustellen. Hier werden die Bäume wohl eher außerhalb der eigentlichen Rigole stehen, können jedoch über die Rigole mit zusätzlichem Wasser versorgt werden.
Ich plädiere in jedem Fall dafür, eine technische Reinigung des Niederschlagswassers den eigentlichen Baumgruben/Rigolen vorzuschalten. Damit wird verhindert, dass Schadstoffe überhaupt in die Baumgruben gelangen. Die technischen Systeme lassen sich problemlos reinigen und die Baumstandorte bleiben unangetastet. Anders sieht es bei klassischen Muldenversickerungen ohne technische Vorreinigung aus. Hier müsste das Substrat oder der Boden gereinigt werden, in dem der Baum verwurzelt ist. Das ist dann tatsächlich ein Problem.
Ein baumverträglicher Wasserabzug muss gewährleistet sein. Das lässt sich mit Baum-Rigolen-Substraten und Untersuchungen des Untergrundes gut vorbereiten, die im Rahmen der Planung einer Entwässerungsanlage ohnehin vorzunehmen sind.
Die große Chance sehe ich nicht nur in der zusätzlichen Wasserversorgung der Bäume, sondern in der Tatsache, dass mit der Verbindung von Baumstandort und Entwässerungseinrichtung ein Interesse der Planer nach größeren Baumgruben entsteht. Die Größe der Baumgrube richtet sich in diesem Fall nach der angeschlossenen zu entwässernden Fläche, den zu erwartenden Niederschlagsmengen und der Versickerungsfähigkeit des Untergrunds. Mehr Raum und mehr Wasser kann unseren Stadtbäumen nur guttun.“
Der Vortrag von Jörg Jaroszewski in Veitshöchheim wird in FLÄCHENMANAGER 2/2024 als Beitrag erscheinen.
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