Fast alle tun Gutes, fast alle machen Fehler
Ein privat organisiertes, aber mit professionellen Referenten besetztes Seminar skizzierte die Herausforderungen, vor denen Kommunen, Planer und die grüne Branche beim Thema Stadtgrün stehen. Beim Grün lag der Fokus aufgrund des Klimawandels mit Recht allein auf den Bäumen. Stefan Leppert aus Münster war für uns dort.
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Der Substrathersteller Vulkatec aus der Eifel und die Firma Boymann schlossen sich zum zweiten Mal zusammen, um am Boymann-Firmensitz in Glandorf südlich von Osnabrück ein Seminar zu veranstalten. Boymann macht den Großteil seines Umsatzes im Garten- und Landschaftsbau, sieht seit einigen Jahren deutlich steigende Umsätze im Bereich Vertikal- und Fassadenbegrünung und unterhält eine eigene Baumschule. Damit stehen beide Unternehmen mit beiden Beinen in der Realität und blicken mit gewisser Sorge und dennoch viel Eifer aufs Stadtgrün und auf die Bäume in der Stadt.
Wer die Diskussionen zum Thema „Herausforderung Stadtbaum“ verfolgt, wird nicht überrascht sein, dass Klaus Körber von der LWG Veitshöchheim zu den Referenten zählte. Er übernahm das Schlussreferat, was in zweifacher Hinsicht sinnvoll war. Erstens ist er äußerst unterhaltsam und lässt keine Post-Mittagessen-Lethargie aufkommen, zweitens sind die Bäume, deren empfehlenswerte Arten und Sorten er wieder reichlich zu nennen wusste, das letzte Glied in der Kette des Bauablaufs.
Ziel des Seminars war es – neben des Verteilens seiner Liste hoffnungsvoller Baumspezies – die Fehlerquellen aufzuzählen, die vor dem Pflanzen gemacht werden können und leider zuhauf gemacht werden. Wenn der Baum steht, sind fast alle potenziellen Fehler zugeschüttet, unsichtbar geworden, beginnen aber im Boden folgenschwer zu wirken.
Um Fehler vermeiden zu können, muss man als Landschaftsgärtner nicht nur die Technik beherrschen, sondern auch Grundwissen über den Boden besitzen – und anwenden. Hier liegt das Problem: Eigentlich weiß jeder Beteiligte, was ein Baum braucht, um langfristig zu gedeihen, jeder, ob Amtsleiter, Landschaftsarchitekt oder Landschaftsgärtner. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass ein frisch gepflanzter Baum ein mindestens 12 m³ großes Pflanzloch braucht – und doch sind es im Schnitt (in Bayern) nur 3,31 m³.
Was ist Boden? Für viele Stadtbäume ist hergestelltes Substrat der Boden und damit immer Ersatzboden. Peter Königs Arbeitgeber Vulkatec ist seit 35 Jahren damit beschäftigt, ideale Substrate für Stadtbäume herzustellen und sie immer weiter zu verbessern. König zeigte die limitierenden Faktoren für das Baumwachstum auf:
- Bodenluft. Die Formel ist einfach: Zu wenig Bodenluft = zu viel CO² = zu wenig Sauerstoff.
- In engem Zusammenhang damit steht die Wasserverfügbarkeit. Gleichzeitig muss der Boden auch die Standfestigkeit der Bäume gewährleisten. Es geht also um Substrate, die verdichtbar sind und dabei die nötige Bodenluft und Wasserverfügbarkeit bieten, um dem Baum eine Überlebenschance zu geben – vorausgesetzt, das Pflanzloch ist groß genug.
- Damit war ein weiteres Problem genannt, vielleicht das wesentliche: Verdichtung.
Verdichtung ist eine der häufigsten Schadenursachen
Mark Pommnitz, studierter Forstwirt vom Sachverständigenbüro Leitsch, ist sich sicher: Bodenluft und Verdichtung werden die Topthemen werden und das schneller, als einem lieb sein kann. Eine makabre Beobachtung: Baumpflegefirmen verdienen gutes Geld mit dem Entfernen von Totholz, fahren dabei mit schwerem Gerät über die Wurzeln und richten dabei oft Schäden an, an deren Beseitigung sie ein paar Jahre später nochmal Geld verdienen. Die Verdichtung durch einen Radladerkontakt reicht, um das Porensystem mit allen Gängen zu zerstören, um dem Baum eine CO²-Zu- und eine O²-Abnahme zu bescheren, sprich, die Wurzeln am Atmen zu hindern. Häufig sind die Schäden irreparabel und werden sichtbar, wenn die Kolonne längst weitergezogen ist und niemand mehr auf Fehlersuche geht.
Nach Verdichtung helfe nur eins: Unverzüglich Sauerstoff in den Boden zu bringen und turnusmäßig den Luftgehalt zu messen. Erfahrungsgemäß ist die Wirkung nur von kurzer Dauer, lediglich eine vorübergehende Rettungsmaßnahme, man müsse dranbleiben. Hoffnung macht eine einfache Methode: Gründüngung. Die Wurzeln einjähriger Pflanzen wie Phacelia oder Sonnenblumen dringen tief ins Erdreich und lockern es auf. Auch das Einbringen von Bodenorganismen hat sich bewährt.
Unsichtbarer Wasserhaushalt
Um das Wasser kümmert sich Dr. Martin Upmeier, Sachverständiger bei der Firma Zeobon. Er brachte ein weiteres Instrument ins Spiel, wohlwissend, dass sich der Wasserhaushalt in Zukunft regional dramatisch verändert wird und nach den Trockenjahren „überhaupt nicht klar ist, was da unten überhaupt los ist.“ Mit „da unten“ meinte Upmeier den Boden. In der Tat ist der schlichte Umstand, dass man vom Baum nur das Oberirdische sieht, der Kern des Problems. Wenn das Sichtbare Anlass zur Sorge gibt, ist es häufig leider zu spät. Daher stellte Upmeier einen sogenannten FDR-Sensor vor, mit dem man die Wasserspannung des Bodens messen kann. Hier kooperiert Zeobon mit Vulkatec. Beide sind dabei, die Landschaftsgärtner auf der Baustelle mit einer Mobilen App zu unterstützen, die Feuchtemessung durchzuführen, zu bewerten und praktische Schlüsse ziehen zu können. Am Ende geht es vorwiegend darum herauszufinden, ob in ausreichender Menge gewässert werde beziehungsweise wurde.
Eine Methode, sich an die verändernden Niederschlagsereignisse anzupassen und Starkregen besser für die Vegetation zu nutzen, sind Rigolen. Gisbert Peka von der Firma PK aus Ahlen stellte Modelle vor, mit denen Wasser vorübergehend gesammelt und langsam wieder abgegeben wird. Seine fast schon lustig anmutende Frage „Wer war kürzlich mal in der Fußgängerzone von Bottrop?“, konnte niemand mit Ja beantworten. Bilder zeigten, wie dort mittels Gefälle Regenwasser direkt den Baumscheiben zugeführt wird und überschüssiges in einen dahinter liegenden Straßenablauf fließt, der wiederum an eine unter dem Baum liegende Rigole angeschlossen ist.
Gegenwärtig arbeitet man an Lösungen, wie man Belastungen durch Streusalz mindern kann. Peter König von Vulkatec verwies auf das erfolgreiche Prinzip von Stockholm, wo man Dachwasser zuleitet und damit die Salzkonzentration verringert.
Klimabäume und heimische Bäume
Und dann kam Klaus Körber. Klimabäume seien kein Allheilmittel. Auch für Celtis, Castanea & Co. müsse im Boden alles Mögliche getan werden. Nur wenn unten die Voraussetzungen stimmen, gibt es Hoffnungsbäume für oben. Über die LWG in Veitshöchheim lassen sich seine Forschungsergebnisse bekommen. Mit seinem Credo „Wenn wir in Deutschland Stadtbäume haben wollen, müssen wir von den heimischen Bäumen weg“ erntet er vielfach immer noch Kopfschütteln. Längst sei aber die Vorstellung widerlegt, heimische Insekten gingen nur auf heimische Bäume. Wenn man ins Wirtshaus zum Essen wolle und das geschlossen sei, gehe man ja auch zum Italiener. Wildbienen würden es genauso machen. Wenn keine Stieleiche da sei, nehmen sie auch eine Flaumeiche – Heimat Südeuropa.
Für Körber liegt der Schlüssel in der Kommunikation, also im Verwenden von den richtigen Begriffen. Biodiversität sei gerade ein Zauberwort, mit dem man viel erreichen könne. Es tut not, sich der Wirkungen von Stadtbäumen bewusst zu werden, damit man damit argumentieren kann. Baustellenplakate in Wien etwa tun dies in simpler Art und Weise, machen den Baum und das, was er leistet, aber auch das, was er braucht, bekannt und lebendig. So gibt es immer etwas zu lernen – Körbers weises Fazit: Als Gärtner lernt man jeden Tag dazu. Auch an diesem, auch Körber – und die anderen.
Wissenstipp: Checkliste - Baumschutz auf der Baustelle
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