Fortbildung fokussiert eingehende Untersuchung von Bäumen
Rund 80 Baumpfleger folgten am 7. Und 8. Juli 2017 der Einladung zur
gemeinschaftlichen Schulung der Qualitätsgemeinschaft Baumpflege und
Baumsanierung (QBB) und des BGL-Arbeitskreises Baumpflege (AK Baumpflege)
nach Berlin. In diesem Jahr richtete sich die Fortbildung für die Mitgliedsunternehmen
beider Organisationen vor allem an Mitarbeiter, die für die Durchführung eingehender
Baumuntersuchungen im Rahmen der Baumdiagnose qualifiziert sind. Traditionell
fanden während der zweitägigen Zusammenkunft auch die Mitgliederversammlungen
der QBB und des AK Baumpflege statt. Die fachliche Exkursion führte die Teilnehmer
zur IGA in Berlin.
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Gemäß Baumuntersuchungsrichtlinie 2013 findet die eingehende Untersuchung immer dann statt, wenn die Regelkontrolle von Bäumen Auffälligkeiten ergibt, die näher untersucht werden müssen. Sie ist – wie in der menschlichen Medizin – ein Fall für Spezialisten, die den Gesundheitszustand und die Standsicherheit geschädigter Bäume beurteilen. Wo viele Experten sind, gibt es unterschiedliche Ansätze und Meinungen. Die eingehende Untersuchung bildet hier keine Ausnahme. „Umso wichtiger ist es, diesen sensiblen Bereich im Rahmen von Schulungen immer wieder zu behandeln. Denn die eingehende Baumuntersuchung entscheidet speziell bei Stadtbäumen regelmäßig darüber, ob ein Baum eine potentielle Gefahr darstellt und gefällt werden muss, oder stehen bleiben kann“, sagt der QBB-Vorsitzende Hans Rhiem.
Vier Referenten hatten die QBB und der AK Baumpflege im Rahmen ihrer Fortbildung nach Berlin geholt. Sie alle hatten Erkenntnisse im Gepäck, die eine zeitgemäße Baumdiagnose zuverlässiger, sichererer und digital nachvollziehbarer machen sollen. Einen Einblick in die „Baumpflege 4.0“ und ihre technische Umsetzbarkeit gab Ralf Semmler von der Deutschen Datenbankgesellschaft. Sein Thema: Bäume besser managen – medienbruchfrei von der Baumerfassung bis zur Baumpflege. „Baumkontrollen mit all ihren Prozessen digital abzubilden ist eine Herausforderung, der sich die Auftraggeber und Dienstleister stellen müssen, wenn sie den Anforderungen eines modernen Managements gerecht werden möchten“, erklärte Semmler. Die Abläufe digital transparent zu machen und abzusichern, sei auch in der Grünen Branche eine zentrale Aufgabe, die zum Beispiel in der Industrie bereits seit vielen Jahren angegangen würde.
Im Anschluss an den digitalen Schwerpunkt konzentrierte sich die Fortbildung auf Ansätze in der praktischen Baumdiagnose. Frank Rinn, Baumsachverständiger aus Heidelberg, referierte über die Bedeutung holzanatomischer und biomechanischer Kenntnisse für eine verlässliche Beurteilung und Bewertung der Bruch- und Standsicherheit von Bäumen. „Es reicht nicht aus, Schäden an einem Baum zu erkennen. Man muss sie auch richtig einordnen können. Die Biomechanik folgt aus der Holzanatomie und hilft, scheinbar gefährliche Bäume von wirklich gefährlichen zu unterscheiden“, so Rinn. Viel zu oft würden Bäume gefällt, weil im Stamm eine durch Pilze verursachte und vermeintlich gefährliche Fäulnis festgestellt wird. „Eine solche Zersetzung des inneren Stammholzes ist jedoch ein natürlicher Prozess, der in den meisten Fällen nicht gleich zu einer Gefährdung der Bruch- oder Standsicherheit führt. Der Baum kann damit oft noch Jahrzehnte leben, ohne dass eine nennenswerte Gefahr besteht“, erklärte der Experte. „Wer Holzanatomie und Biomechanik versteht und berücksichtigt, erkennt beispielsweise schnell, dass nicht die Größe der Fäulen zählt, sondern vor allem ihre Lage im Querschnitt“, erläuterte Frank Rinn das Prinzip an einem Beispiel.
Ein neues Verfahren zur Standsicherheitsuntersuchung mit Neigungsmessungen im Wind
präsentierte Prof. Dr. Steffen Rust, Experte für Baumdiagnose an der HAWK Göttingen in
seinem Vortrag. „Unsere Untersuchung beruht auf der quantitativen Analyse des Zusammenhangs zwischen der Stammbasisneigung und regionalen Windgeschwindigkeiten. Wir entwickeln anhand dieser Variablen Kriterien zur Identifizierung nicht mehr standsicherer Bäume und zeigen, dass aus solchen Messungen kritische Windgeschwindigkeiten und Versagenswahrscheinlichkeiten geschätzt werden können“, erläuterte Rust.
Der Frage, ab wann in der Baumpflege die Desinfektion von Schnitt- und Arbeitswerkzeugen notwendig sind, ging Prof. Dr. Rolf Kehr nach, der ebenfalls an der HAWK Göttingen lehrt. Er erläuterte das Prinzip und die Grenzen der Desinfektion und zeigte anhand verschiedener Baumkrankheiten und Beispiele auf, in welchen Fällen Werkzeuge und Geräte desinfiziert werden sollten. „Es ist nicht zielführend und möglich, eine vollständige Desinfektion, zum Beispiel von Wunden bei Baumpflegearbeiten, erreichen zu wollen. Andererseits gibt es Krankheiten, bei denen eine Übertragung des Erregers durch Schnittwerkzeuge oder andere Arbeitsgeräte eine reale Gefahr darstellt. Diese gilt es zu identifizieren, um einerseits wirksame Verfahren der Desinfektion auswählen und andererseits einen sinnlosen Arbeitsmehraufwand für vermeintlich notwendiges ´Sterilisieren` vermeiden zu können“, so Kehr.
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