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Saure Zeiten für süße Gurken

Ein Kommentar von Tjards Wendebourg zum zunehmenden Trend zur Hysterie.
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Neulich hatte ich einen Traum. Tausende von Gurken kamen auf mich zugeflogen. Dann Tomaten und schließlich Salatköpfe. Plötzlich lichtete sich der Gemüsesturm. An einem Tisch saß ein Mann mit weißem Kittel und riesiger Lupe vor einer unappetitlichen Zeitung mit der Aufschrift „B“, „I“, „L“, „D“, oder so ähnlich. Auf dem gefalteten Blatt saß eine grauenvolle Mikrobe, groß wie eine Gurke. Als der Mann mit der Lupe das Etwas erreicht hatte, sprang er schreiend auf, griff zum Telefon und brüllte erregt etwas in den Hörer, das ich nicht verstehen konnte. Dann wurde es schwarz. Im nächsten Bild, an das ich mich erinnern konnte, war hektisches Großstadttreiben zu sehen. Menschen in Kitteln wurden von ebenfalls mit Schutzkitteln bekleideten Polizisten in Busse begleitet. Im Hintergrund brachen Abrissbagger ein Hochhaus ab, auf dem ebenfalls noch diese Buchstaben von der Zeitung aus dem Bild zuvor zu erkennen waren; bis sie in die Tiefe stürzten. Dann bin ich aufgewacht und als ich in den Spiegel sah, habe ich mich gefragt, was angesichts eines solchen Traums das Grinsen auf meinem Gesicht zu bedeuten haben könnte. Denn zu Grinsen gibt es da eigentlich tatsächlich nichts; nicht mal dann, wenn man gerade in der glücklichen Lage ist, nicht vom Verkauf frischen Gemüses leben zu müssen. Zum wiederholten Male wird ein Ereignis mehr oder weniger regionalen Charakters medial skrupellos ausgeschlachtet und ein ganzes Land in Panik versetzt. Aus der „German Angst“ ist wieder einmal „German Hysterie“ geworden, in der Politiker schon zu Helden werden, weil sie scheinbar mutig in eine heimische Tomate beißen; so wie es mein persönlicher Freund, der plötzliche Obergrüne mit CSU-Parteibuch Markus Söder es vorvergangene Woche zur Eröffnung der kleinen Gartenschau in Kitzingen am Main vormachte. Wieder besseren Wissens wird die Existenz ganzer Wirtschaftszweige in Frage gestellt, weil ein resistenter Erreger sich seine Opfer gesucht hat. Auch wenn wir nicht mit Gurken oder Sprossen handeln, kann uns das Ganze nicht egal sein. EHEC ist einmal mehr der Beweis dafür, wie tönern das Fundament ist, auf dem wir stehen. Ein kurzer Mediensturm, eine hysterische Bewegung mit dem Strom und das, was eben noch als sicher, gut und gesund galt, ist plötzlich Teufelszeug. Lassen Sie morgen in einem der Revolverblätter stehen, dass Gartenarbeit das Leben verkürzt; ein jahrelanger Trend würde sich im Fluge ins Gegenteil verkehren. Wir wären unserer wirtschaftlichen Grundlage beraubt und bräuchten Monate oder Jahre, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Liebe Leute da draußen: Lasst Euch von den Nachrichtenzüchtern und Krisenprofiteuren nicht davon abhalten, die Dinge mit gesundem Menschenverstand zu betrachten. Bleibt ruhig und genießt Eure Gurken, Sprossen, Tomaten und Salatköpfe; gewaschen natürlich. Denkt immer daran, Ihr könntet die Opfer des nächsten Nachrichtengezüchts werden. Denn wohin die Karawane als nächstes zieht, weiß niemand. Tjards Wendebourg (c) DEGA GALABAU/campos online, 6.6.11
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