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Umfrage unter Experten

Wie erreichen wir die Entscheider, wenn wir die Situation für Stadtbäume verbessern wollen?

Wir haben zahlreiche Baumexperten angeschrieben, um auf diese wichtige Frage eine Antwort zu finden.

 

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Kastanienallee in Ausgburg
Kastanienallee in AusgburgClaudia von Freyberg
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In unseren Expertenbriefen wird sehr viel Wahres und Kritisches zur Situation der Bäume in den Städten, zur Ausschreibungs- und Vergabepraxis, zur fehlenden Fachlichkeit an entscheidenden Stellen oder auch zu Natur- und Artenschutzfragen geschrieben und kommentiert. Das ist gut und sehr wichtig. Doch wie gelangen diese Informationen an die Stellen, an denen über Bäume oder Budgets entschieden wird? Wie schaffen wir es, diese Dinge durchdringend herüberzubringen? Haben Sie Ideen oder Vorschläge? Oder halten Sie das Ganze für unrealistisch?

Folgende Fachleute haben geantwortet bzw. ihre Meinung geäußert:

Dieter Fuchs, Leitung Stadtgrün im Amt für Umwelt und Stadtgrün der Bundesstadt Bonn und FLL-Präsidiumsmitglied: Mühsames und stetiges Arbeiten notwendig

Wir haben das Thema im Arbeitskreis Stadtbäume besprochen. Grundsätzlich meinen wir, dass in den Städten schon sehr viel über Bürgerinformationen, interne Workshops, Vorträge und die Zusammenarbeit mit externen Partnern usw. getan wird, um die Fachexpertisen zu den richtigen Entscheidern zu bringen. Auch die Zusammenarbeit mit vielen Verbänden läuft immer besser. Ihre Problematik ist mir persönlich aber sehr bewusst, da auch die FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau), bei der ich seit langem im Präsidium sitze, immer wieder versucht, die vielen grünen Interessen zu einer Stimme zu verbinden. Ich sehe und erfahre, dass dies leider ein mühsames und stetiges Arbeiten voraussetzt. Anders wird es nicht gehen, um unserer Themen zu präsentieren. Die Implementierung einer übergreifenden, gemeinsamen Strategie - so wie ich Ihr Anliegen verstehe - sehe ich für fast unmöglich.

Wolfgang Lehnen: Persönliche Vorstellung und Hinweis auf monetäre Werte helfen

Aus meiner Sicht ist Ihr Anliegen der berühmte Kampf gegen Windmühlen. Durch Vorgaben, teils auf EU Ebene, sind den zuständigen Behörden oftmals die Hände gebunden und es muss ausgeschrieben werden. Ausschreibung geht leider IMMER über den Preis! Qualität ist in der heutigen Zeit nicht gefragt, da nicht mehr finanzierbar. Auch die wirtschaftliche Darstellung und Plausibilität eines Angebotes wird oft nicht geprüft. Alles was zählt, ist der Preis unterm Strich.
Was bei meinen Kunden zieht (vorausgesetzt, man kommt bis zur persönlichen Ebene) ist der dezente Hinweis auf ersparte monetäre Werte durch einen teils vielfach geringeren Maßnahmenkatalog, aber hierzu bedarf es schon eines persönlichen Dialoges, denn rein in einer Ausschreibung hat man hierzu keine Möglichkeit. Leider fehlt den zuständigen Sachbearbeitern auch jeder fachlicher Hintergrund und oder die nötige Kompetenz, um das Thema Baum zu behandeln.
Ich dränge IMMER auf eine persönliche Vorstellung, denn nur hier hat man eventuell die Chance zu lenken. Dies bedeutet nicht, dass man den Auftrag erhält, aber man kann behilflich sein in der korrekten Formulierung einer Ausschreibung und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Im Saarland habe ich den Satz geprägt: „Es muss nicht immer alles über den Geldbeutel gehen.“

Heiner Löchteken: Weitermachen!

Leider vertritt nicht jeder ‚Fachverband‘ tatsächliche Fachfirmen, die sich um den Baumerhalt scheren, sondern ganz offen Baumdienste und Baumfällfirmen. „Baumbiologisch ist keine Pflege die beste Pflege“, „Baumerhaltung ist ökonomischer als Fällen und Ersetzen" und „Der bleibende ‚Problem‘-Baum ist bilanztechnisch ein günstiger Alt-Baum" sind Slogans, die man in der Baumpflege-Branche nicht immer gerne hört.
Wenn in den entsprechenden Medien immer und immer aufs Neue die korrekte Baumpflege/Baummanagement erklärt wird, dann sollte es irgendwann fruchten – also weitermachen! Ich nutze für News meinen Newsletter an unsere Fachkunden (Baumsachverständige und Baumkontrolleure).

Olaf Pressel: Die deutsche Ausschreibungspraxis macht vieles kaputt

Es ist schon fast frustrierend, wenn man Rahmenverträge mit der Stadt abarbeitet und in drei Jahren zu 99 % Verkehrssicherung betreiben muss. Eigentlich lautet der Auftrag Baumpflege, aber dazu kommt es nicht mehr, weil sich der Zustand der Stadtbäume derart verschlechtert hat, dass dazu keine Zeit mehr bleibt.
Was auch frustriert, ist die Vergabepraxis der Kommunen: Eine Vergabe, bei der ausschließlich auf den Preis als Kriterium geschaut wird, sei es, weil die Kommune angeblich kein Geld hat oder weil diejenigen, die den Zuschlag erteilen müssen, gar keine Fachkenntnisse haben über das, was gefordert wird, ist m. E. nach nicht nur falsch, sondern schadet auch der Qualität der Ausführung und somit der Baumgesundheit.
Wünschenswert ist (und das geht auch ohne Fachkenntnis) eine Vergabe nach norwegischem und/oder Schweizer Prinzip: Dort werden zunächst, wenn ausreichend Gebote vorhanden sind, der teuerste und der billigste Bieter gestrichen, dann wird ein Durchschnitt aus den anderen Bieterpreisen gebildet und der Unternehmer, der diesem Durchschnitt am nächsten geboten hat, erhält den Zuschlag, kann auskömmlich wirtschaften und liefert dafür 1a Qualität ab. Zudem werden alle Bieter dazu gehalten, nicht zu pokern, sondern möglichst ein auskömmliches und faires Angebot abzugeben, weil sie so am ehesten die Chance haben, dem Durchschnitt zu entsprechen.
Aus Gründen der Solidarität mit meinen eigenen Mitarbeitern kann ich zudem die Tarifabschlüsse im GaLaBau nicht gut heißen, war es doch schon vor dem Anstieg der Inflation nicht möglich, mit einem Tariflohn Rücklagen fürs Alter zu bilden. Spätestens seitdem die Inflation sich der 10-%-Marke genähert hat, sind sämtliche Lohnerhöhungen im Bereich von 3 % einfach nur noch peinlich. Und zugleich sind einem als Arbeitgeber die Hände gebunden, weil man selber nicht mehr für seine Arbeit erwirtschaftet bei derartiger Ausschreibungspraxis.

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