Das sind unsere aktuellen Herausforderungen
Welche sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Herausforderungen in Bezug auf die Baumpflege in urbanen Räumen beziehungsweise in Ihrem Einsatzgebiet? Wie gehen Sie damit um beziehungsweise welche Lösungen oder Perspektiven sehen Sie? Wir haben engagierte Baumpfleger gefragt und haben interessante und zum Teil sehr detaillierte Antworten erhalten.
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Richtige Artenwahl Voraussetzung
Einer der wichtigsten Herausforderungen in der Baumpflege sind die umfassende Kompetenz der handelnden Personen. Äste abzusägen, wird in Zukunft nicht die wichtigste Tätigkeit in der Baumpflege sein. Natürlich nimmt das Herstellen der Verkehrssicherheit einen sehr hohen Stellenwert ein. Klimaveränderungen, Versiegelung, Hitzestrahlung, Emissionen und Immissionen werden eine zentrale Anforderung an die Pflanzen stellen.
Baumpflege fängt für mich schon bei der Baumartenauswahl und der Vorbereitung des langfristigen Standorts des Baumes an. Lösungsansätze gibt es bereits sehr viele und gute! Der Boden ist eines unserer wichtigsten Güter! Je größer und nachhaltiger der Bodenraum zur Verfügung gestellt wird, umso länger entsteht ein Baumstandort. Auch für bereits stehende Bäume auf nicht so geeigneten Standorten kann mittels Bodenlockerung und Einbringen von diversen Zuschlagstoffen geholfen werden.
Grüne Städte und Dörfer müssen für unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität geschaffen und erhalten werden. Wir sind gemeinsam am richtigen, aber sehr langen Weg dazu! Wenn die Flächenversiegelung gebremst werden kann, müssen zwingend Naherholungsgebiete bewaldet und parkähnlich im urbanen Gebiet geschaffen werden! Wir merken dies auch selbst an uns, wenn wir uns im Wald oder unter Bäumen aufhalten beziehungsweise entspannen dürfen!
Marcel Kreitl, Kreitl GmbH in Raasdorf bei Wien
> Den Betrieb von Marcel Kreitl haben wir in DEGA GALABAU 12/2020 vorgestellt.
Schutz der Bestandsvegetation hat Vorrang
Als Baumpflegebetrieb im Rhein-Main-Gebiet ist aus baumpflegerischer Sicht die zunehmende Bautätigkeit und die damit verbundene Nachverdichtung von Flächen im urbanen Umfeld unser größtes Problem. Die Stadt wird nach bebaubaren Flächen abgesucht, welche dann mit maximaler Auslastung bebaut werden. Die vorhandene Bestandsvegetation, hier insbesondere die Altbäume, geht in großer Zahl verloren und kann mit den geforderten Nachpflanzungen meist nur unzureichend kompensiert werden.
Dies wird durch die Tatsache verstärkt, dass häufig in den verbleibenden Restflächen großkörnigen Bäumen weder ober- noch unterirdisch ausreichend Raum zu Verfügung gestellt wird. Diese Entwicklung führt zu einer kontinuierlichen Reduktion des Baum- und Grünbestandes in den Städten und steht unseren Bemühungen für mehr Grün in der Stadt entgegen. Ziel muss es deshalb sein, den Erhalt von wertvoller Grünsubstanz bereits in den Planungsprozessen zu berücksichtigen und den Schutz der Bestandsvegetation gemäß den vorhandenen Regelwerken konsequent umzusetzen.
Eiko Leitsch, Leitsch Baumpflege in Nauheim
> Den Betrieb von Eiko Leitsch haben wir bereits in DEGA GALABAU 11/2015 vorgestellt.
Ausbildung verbessern, Bewusstsein schaffen
In der Gegenwart findet fast keine Baumpflege mehr statt, es handelt sich nur noch um Verkehrssicherungsmaßnahmen zur Wahrung der Baumsubstanz, zu anderen Arbeiten reicht die Zeit oder die Personaldecke nicht. Das muss sich wieder ändern, um langfristig stabile und attraktive Baumbestände zu erhalten. Aufgrund von Anpassungsproblemen der Bäume an neue klimatische Bedingungen ist das momentan nicht möglich.
Zukünftig wird die Ungewissheit über die Baumartenwahl für Neu- und Nachpflanzungen und dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen, eine nicht weniger anspruchsvolle Aufgabe. Das ist allgemein so und auch speziell bei uns. Wir tun unser Bestes und versuchen zu helfen, wo immer es geht, und bringen unsere Erfahrung und unsere technischen Möglichkeiten ein. Ferner suchen wir nach Möglichkeiten, weiteres Fachpersonal zu rekrutieren, sei es durch Ausbilden weiterer Arbeiter als auch durch Partizipation an der Prüfungskommission für den neuen FAW in Heidelberg. Die Ausbildung im Bereich Baumpflege muss deutlich an Attraktivität zunehmen und viel mehr an Bedeutung bekommen, und die Anstrengungen zum Erhalt von Baumbeständen muss weit über das momentane Niveau hinausgehen. Wir müssen sichergehen, dass das Bewusstsein über den Wert von Bäumen für die Allgemeinheit in die letzten Ecken der Bevölkerung vordringt. Die Entlohnung der Arbeit muss deutlich steigen. Ferner wartet auf die Baumschulen eine enorme Herausforderung, um die richtige Neuware zum richtigen Zeitpunkt anbieten zu können.
Olaf Pressel ist Baumpfleger in Stuttgart
Größere Sortenvielfalt und übergreifende Zusammenarbeit notwendig
Die größte Herausforderung ist - neben dem Baumschutz auf Baustellen - der klimatische Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen. In den Sommermonaten fehlt das Wasser, aber auch sinnvolle Bewässerungskonzepte oder ausreichend große Baumstandorte. Weiterhin sind die Baumbestände in den Städten oftmals geprägt von den gleichen Sorten. Eine hohe Biodiversität der Populationen bietet aber eine größere Sicherheit gegenüber Ausfällen. Darüber hinaus fehlen neue Sorten in den Städten. (Es fehlen allgemein Nachpflanzungen).
Wenn die Gegebenheiten es zulassen, sollte auch mal ein Nadelgehölz nachgepflanzt werden. So hat beispielsweise in einem direkten Vergleich eine junge Waldkiefer (Pinus sylvestris) eine achtfach höhere Luftschadstoffaufnahme als eine junge Rotbuche (Fagus sylvatica). Nadelbäume sind auch im Winter grün. Daher filtern sie ganzjährig Feinstaub effizienter aus der Atmosphäre als Laubbäume. Nicht zuletzt bieten sie das ganze Jahr Sichtschutz, Deckung und Schutz für Vögel oder andere Tiere. In Südeuropa prägen bereits einige Kiefernarten (Pinus) die Straßenzüge. Als sehr trockentolerant, immissionsfest und anspruchslos gelten nach Pietzarka & Roloff (2017):
-Schwarz-Kiefer (Pinus nigra)
-Gelb-Kiefer (Pinus ponderosa)
-Schlangenhaut-Kiefer (Pinus heldreichii)
-Jeffrey-Kiefer (Pinus jeffreyi)
Diese Arten zeichnen sich zudem durch ein schnelles Wachstum in der Jugend aus. Im Alter flacht die Baumkrone ab und wächst schirmartig, sodass darunterliegende Strukturen gut beschattet werden. Die Schwarzkiefer ist eine der in Städten am häufigsten vorkommenden Nadelbaumarten. Außerdem wird dieser Art ein attraktiver Habitus sowie attraktive Rinde und Nadelform nachgesagt (Roloff 2013). Sie ist salzunempfindlich und ihre Frosthärte beträgt -30° C.
Ich habe mich in meiner Masterarbeit über die Bremer Straßenbäume im Klimawandel beschäftigt. Anbei ein Auszug aus meinem Fazit: „Daher ist in Zukunft eine stärkere Zusammenarbeit sämtlicher Akteure gefragt, damit Straßen-Bäume langfristig ihr hohes Potenzial an Ökosystemleistungen erbringen können. Zukünftige Standorte sind so zu planen und zu gestalten, dass den Straßenbäumen mit einem großen Bodenvolumen eine ausreichende Wasser- sowie Nährstoffversorgung zur Verfügung steht. Ohne frühzeitige, nachhaltige und fachgerechte Pflege kann sich auch der klimafesteste Baum im städtischen Bereich nicht entwickeln.“
Pit Schumacher ist Dozent an der HAWK Göttingen.
Zu starke Bodenverdichtung
Das Wichtigste, was ich in letzter Zeit feststelle, ist die Bodenverdichtung und der mangelnde Wurzelraum bei Bäumen im städtischen Bereich. Oftmals findet man es bei einem älteren Baumbestand, dass durch parkende Fahrzeuge die Bäume im Stammbereich beschädigt wurden oder der Boden so stark verdichtet ist, dass Niederschläge gar nicht versickern können. Hier besteht die Herausforderung, den Wurzelraum so zu lockern, dass Niederschläge dem Wurzelraum wieder zugänglich werden.
Alexander Tilburgs führt einen GaLaBau-Betrieb in Schmitten im Taunus.
Aufklärung und Beratung tun not
Der Baum im urbanen Bereich hat einen schweren Stand. Nicht nur im übertragenen Sinne durch Anwohner, die sich am Laub stören, Hunde, die eine Toilette brauchen oder Krankheiten und Schädlinge. Nein, auch ganz direkt durch Bodenverdichtung, Wassermangel, zu kleine Standorte und Baumaßnahmen. Die Probleme sind bekannt und auch nicht neu. Viele Ausbilder und Fachleute predigen seit Jahren zu den Themen Baumstandort, zur Baumauswahl und zu fachgerechter Pflege. Die Realität zeigt aber täglich, dass dieses Wissen noch lange nicht in der Breite angekommen ist.
Eine Abfrage der Qualifikationen durch Auftraggeber kommt im privaten Bereich gar nicht und bei kleinen Kommunen selten vor. Lediglich große Städte und leider auch nur sehr wenige ausschreibende Büros fordern einen Nachweis. Das Fehlen irgendeiner Voraussetzung für Baumarbeiten führt in vielen Fällen zu desaströsen Verhältnissen. Manch guter Baumpfleger führt fachlich falsche Maßnahmen aus, damit wenigstens die Schnittführung das Leid des Baumes mildert. Oft hat man völlig beratungsresistente Kunden, die ein Sterben auf Raten in Kauf nehmen und sich auch nicht durch wirtschaftliche Argumente umstimmen lassen. Natürlich ist es besser, statt einer völlig inakzeptablen Kappung eine unnötige Kroneneinkürzung durchzuführen. Aber das sollte weder der Anspruch noch der Wunsch der Baumpflege sein.
Die Baumpflegebranche profitiert vom wachsenden grünen Gewissen und hat endlich die Unterstützung der meisten Menschen und vor allem die Chance bei den Auftraggebern, vernünftige Maßnahmen durchzusetzen und bezahlt zu bekommen. Diesen Strohhalm müssen wir ergreifen und an jeder Stelle beraten, aufklären und unser Wissen weitergeben, um dadurch langfristig die Qualität zu heben. Das fängt bereits bei der Bauplanung an. Warum werden Baumstandorte von Planern scheinbar willkürlich in den schönen Plan gequetscht? Weshalb ist bei den meisten Bauamtsleitern nicht bekannt, dass ein Baumpfleger sich auch mit Böden und Pflanzenauswahl auskennt? Wieso müssen wir dem Privatkunden erst erklären, dass wir biologische und ökologische Fachkenntnis haben?
Nüchtern betrachtet kommen Baumpfleger erst ins Spiel, wenn es schon zu spät ist. Ganz egal, ob es eine Bodenverbesserung, eine Fällung oder ein Lichtraumprofilschnitt ist. Indem man schon bei der Planung den Baum und vor allem die zukünftige Größe und die Bedürfnisse betrachtet, können vielen Maßnahmen vorgebeugt oder sie mit deutlich geringeren Kosten umgesetzt werden. Wie könnte die Lösung aussehen? Wissen verbreiten! Dazu gehört Initiative. Dafür muss man sich weiterbilden. Dafür muss man auf Menschen zugehen. Das muss man wollen. Was sich ein bisschen nach Tschakka-Coaching anhört, macht den Unterschied zwischen einem Baumschneider, der zu spät kommt, und einem Baumpfleger, der dafür sorgt, dass zukünftige Generationen auf einen gesunden Baumbestand schauen können.
Für Arbeitgeber, Verantwortliche an ausschreibender Stelle oder Inhaber sollte es selbstverständlich sein, ständig sein Wissen zu erweitern und den aktuellen Stand der Technik zu kennen. Aber das genügt nicht. Wir müssen alle Mitarbeiter auf ihrem Leistungsniveau optimal aus- und fortbilden. Leider gibt es keine direkte Baumpflegeausbildung, aber die Zugangsvoraussetzung zum Bachelor professional Baumpflege mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung im grünen Bereich stellt wenigstens eine Grundqualifikation sicher. Sowohl die Berufsschulen in den grünen Berufen als auch die Schulen in der Baumpflege leisten da gute Arbeit. Dennoch ist noch viel Luft nach oben, dieses Wissen auch zu den Baumbesitzern zu bringen.
Martin Weller, Team Weller Baum Garten Landschaft in Beilstein
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