Wie ein pilzfressender Pilz einen Baum rettet
Sven Habich ist seit 2011 bei Bechstein Baumpflege in Kriftel tätig und dort Bereichsleiter Baummangement. Hier berichtet er, wie ein erst hoffnungsloser Fall eine positive Wendung nahm.
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Der Befall eines Baumes durch einen holzzersetzenden Pilz hat meistens über kurz oder lang die Fällung zur Folge. Nicht bei allen Pilzen geht mit dem Befall eine Verschlechterung der Vitalität, der Bruch- oder sogar Standsicherheit einher. Der Baum wehrt sich auf mehreren Wegen gegen die eintretenden Folgen, und wir erkennen den Schaden oft erst, wenn er fortgeschritten ist.
Im Rahmen des Baummanagements betreut die Bechstein Baumpflege GmbH für eine Wohnungsbaugesellschaft bundesweit die Liegenschaften. In der Studentenstadt Münster (NRW) steht in einem parkähnlichen Garten einer innerstädtischen Liegenschaft eine solitäre Hainbuche mit einer Höhe von ungefähr 14 m und einem Stammumfang von 487 cm. Seit etwa acht Jahren wird der Baum im Rahmen der Regelkontrolle neunmonatlich in Augenschein genommen. Die auffallend nachlassende Vitalität zog Schnittmaßnahmen wie die Entfernung abgestorbener Kronenteile nach sich. Reaktionsholzbildung oder Kompensationsaustriebe waren kaum feststellbar. In Folge eines Kronenausbruchs ist der Kronenansatz stark geschädigt. Eine Fäule zieht sich vom Wurzelstock (vermutlich auch im Wurzelbereich) den kompletten Stamm hinauf bis zum Kronenansatz in etwa 2,5 m Höhe. Bei der Regelkontrolle wurde 2021 der Befall mit Brandkrustenpilz (Kretzschmaria deusta) dokumentiert und eine eingehende Untersuchung festgelegt.
Eigentümer wollte Baum nicht aufgeben
Im Spätsommer 2021 wurde die eingehende Untersuchung durchgeführt, um das Ausmaß des Schadens zu ermitteln. Die Bohrwiderstandsmessungen ergaben ein klares Bild vom Stammkörper und den vorhandenen Restwandstärken. Wenige Zentimeter Restwandung auf der untersuchten Stammebene, akute Bruchgefahr also. Eigentlich müsste der Baum wegen der nicht vorhandenen Verkehrssicherheit gefällt werden, aber der Baumeigentümer möchte die stattliche Hainbuche nicht aufgeben! Darum bittet er um die Ausarbeitung eines Konzeptes zum Erhalt.
Nach engen Beratungen und Abwägungen werden stabilisierende, vitalisierende und bekämpfende Maßnahmen umgesetzt. Baumstützen aus Metall werden konstruiert und eingebaut. Nun können die dicken Äste, auf Gummipuffern gebettet, ruhen und die Bruchsicherheit ist gegeben.
Nun kommt auch der pilzfressende Pilz ins Spiel: Der Boden und auch die Pilzfruchtkörper werden regelmäßig, fünf bis sechsmal pro Vegetationsperiode, mit einer Lösung aus Wasser und dem Pilz Trichoderma behandelt. Ziel ist es, den Krustenpilz mit dem Schlauchpilz zurückzudrängen. Trichoderma ernährt sich vorzugsweise von anderen Pilzen und zersetzt mit großer Geschwindigkeit Myzel und Fruchtkörper. Außerdem geht das Pilzgeflecht Symbiosen mit dem Baum ein, ist also ein Mykorrhizapilz. Trichoderma soll im Boden des Baumstandortes etabliert werden und so auch seine Funktion als Türsteher ausführen, um künftige Pathogene fernzuhalten.
Vitalität deutlich gebessert
Ein erster, sehr deutlicher Erfolg zeigt sich anhand der verbesserten Vitalität. Der Baum steht selbst noch im fortgeschrittenen Sommer im saftigen Laub, was in den letzten Jahren nicht der Fall war. In der Vegetationsperiode 2023 sollen erneut Gaben der Trichoderma-Lösung erfolgen. Zum Ende 2023 ist wieder eine Überprüfung der Restwandstärken geplant, um hoffentlich einen größeren Zuwachs als Zersetzung nachzuweisen.
Als erstes Fazit lässt sich, zumindest in Teilen, auf andere (Alt-)Bäume übertragen, dass eine Wässerung und die Gabe von Trichoderma über einen längeren Zeitraum, die Vitalität und Widerstandsfähigkeit von Altbäumen steigert. Über die Auswirkungen auf den Brandkrustenpilz lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren. Dies wird, wie beschrieben, das Ergebnis der nächsten eingehenden Untersuchung (Bohrwiderstandmessung) Ende 2023 und die weitere Entwicklung zeigen. Ähnliches wird derzeit auch an einer großen Rotbuche (Fagus sylvatica) mit einer Höhe von ca. 24 m und einem Stammumfang von ca. 440 cm in einem Privatgarten in Königstein erprobt. Auch hier ist der Baum durch den Brandkrustenpilz im Bereich von Wurzel und Stammfuß befallen. Nähere Ergebnisse werden ebenfalls nach der eingehenden Untersuchung (Schalltomographie) zum Ende 2023 erwartet. Die Rotbuche weist ebenfalls bereits jetzt eine verbesserte Vitalität auf.
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