Neue Wege der Nachpflanzung von Gehölzen
Tobias Zielisch betreibt den Baumdienst Postdam und beschäftigt sich intensiv mit den Themen Naturschutz und Klimawandelanpassung im Stadtgrün. Hierzu zählen für ihn auch Baumpflanzungen, bei denen die gesetzten Bäume dauerhaft überleben und ihre Funktionen erfüllen. Seine Vorschläge sind bedenkenswert.
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Die Baumschulware sah gut aus 12/14, 3 x verpflanzt, mit Drahtballen aus einer lokalen Großbaumschule. Knospen prall, Ballen gut gebunden, die Zweige rund und nicht eingeschrumpelt. Die Pflanzung ausgeführt mit adäquatem Bodenaustausch, großzügiger Pflanzgrube, Depotdünger, Verankerung, Wassersack und gemulchtem Boden. Fachgerechter Pflanzschnitt. Den Sommer über fleißig gegossen. Eigentlich alles nach Lehrbuch. Doch dann ein Hitzesommer wie 2018 und im September bereits alle Blätter vertrocknet. Die Pflanzung ein Totalverlust. Gibt man wie üblich mindestens ein Jahr Anwachsgarantie, hat man hier als ausführende Firma den Hut auf und rund 600 € in den Sand gesetzt. Sprichwörtlich und tatsächlich, wenn man in Brandenburg lebt.
Jede Firma, die Baumpflanzungen ausführt, hat in den letzten Jahren diese Erfahrungen vermehrt gemacht. Nicht verwunderlich also, dass Firmen, Behörden und auch private Initiativen nach neuen Wegen suchen, urbanes Grün zu ergänzen und zu vermehren.
Was in der Baumschule passiert und passieren kann
Der Standard sieht meist wie beschrieben aus, und das hat Gründe. Zum einen kann man als Behörde genau ausschreiben, wie und was gepflanzt wird. Jeder in der Branche versteht, was mit 12/14 3x mDb gemeint ist. Die Qualität ist vergleichbar und damit die Kosten. Das Ballieren und die Verpflanzung während der Aufzucht hat den Sinn, dass sich durch den Rückschnitt der Wurzeln ein dichteres Feinwurzelwerk bildet und zwar in einem Volumen, das man noch gut transportieren kann.
Das Verfahren hat aber einige Nachteile. Es lädt geradezu dazu ein, die ein oder andere Verpflanzung seitens der Baumschule auszulassen, was bei dem Ballen zunächst nicht leicht zu überprüfen ist. Die Wurzeln werden durch den groben Rückschnitt mittels Maschine oder Spaten beschädigt, und so kann es vorkommen, dass statt eines mit Feinwurzeln versehenen Ballens nur ein paar grobe Strempel im Ballen stecken. Zudem haben Bäume wie Walnuss es schwer, die für sie typische Pfahlwurzel neu zu bilden und krepeln über Jahre ohne sichtbares Wachstum vor sich hin.
Viele Baumschulen setzen daher vermehrt auf Containerware. Die Bäume haben die Chance, ohne Wurzelschnitt einen dichten Feinwurzelballen auszubilden, und damit deutlich bessere Startchancen bei Trockenheit. Zudem kann man die Containerware fast das ganze Jahr über pflanzen und hat damit einen kontinuierlichen Absatz in der Baumschule. Düngung und Transport sind ebenfalls besser zu kontrollieren und einfacher. Aber auch hier bleibt das Problem der Pfahlwurzel, und der Containerballen verhält sich manchmal noch jahrelang im Pflanzloch, als säße er immer noch in einem Topf und bildet kaum Haltewurzeln. Die Durchdringung mit Gießwasser kann auch schwieriger sein als bei Wurzelnackten oder Ballenware.
Was kann man zusätzlich zum Standard tun?
In den Städten stehen wir vor riesigen Aufgaben, was den Erhalt und die Entwicklung der Grünflächen angeht. Der Klimawandel schlägt gnadenlos zu. Selbst bei Erreichung des 2 Grad Ziels müssen die Bäume, die heute jung gepflanzt werden, in 30 bis 50 Jahren zwischen 3 und 10 Grad höhere Durchschnittstemperaturen in den Städten ertragen. Schlimmer noch sind die Spitzentemperaturen, die höher als heute liegen und häufiger auftreten. Am Standort gut etablierte Bäume sind dann besonders wichtig. Welche Methoden könnten also die bisherige Art zu pflanzen ergänzen und verstärkt zum Zuge kommen?
Im Kern lässt sich zusammenfassen, dass Methoden besonders erfolgreich sind, wenn Bäume die Möglichkeit haben, sich selbst anzusiedeln, oder sehr jung gepflanzt werden. Ein paar dieser Ansätze möchte ich hier kurz vorstellen.
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Wildaussaaten: Robinie, Eschenahorn, Spitzahorn, Götterbaum sind typische Arten, die sich in der Stadt gerne selber ausbreiten. Die Bäume wachsen zahlreich auf jeder halbwegs brachen Fläche, vital und ohne Zutun des Menschen. Vorteile sind, dass die Bäume umsonst wachsen, dem Standort meist sehr gut angepasst sind und als Jungbäume keinerlei Pflege bedürfen. Trotzdem erfüllen sie wichtige Funktionen wie Luftreinhaltung, Habitatstrukturen, Lärmschutz und Abmilderung des Kleinklimas.
Nachteil ist, dass viele dieser Bäume dazu neigen, durch die Entwicklung ungünstiger Kronenstrukturen wie Doppelspitze mit Zwiesel, lang ausladende Äste oder Schrägwuchs im fortgeschrittenen Alter höhere Kosten bei der Verkehrssicherung zu erzeugen. Ein weiteres Manko ist, dass sich konkurrenzstrake Arten durchsetzen und die Artendiversität stark eingeschränkt sein kann. Spitzahorn und Robinie tun sich da besonders hervor und verdrängen manchmal alles, was sonst noch einen Start versucht. Ungeeignet ist die Methode auch an schmalen Grünstreifen oder wenn man sich bestimmte Arten wünscht.
Abhilfe könnte ein sanftes Eingreifen auf solchen Flächen bringen. Von den vielen jungen Schösslingen könnten die vielversprechendsten ausgewählt werden und mittels Jungbaumpflege eine günstige Kronenstruktur erhalten. Denkbar wäre auch auf solchen Flächen, durch gezielte Einsaat die Artenvielfalt zu erhöhen oder junge Heister kostengünstig dazwischen zu pflanzen. Viele Umweltämter sind dazu übergegangen, solche Wildaussaaten statt der teuren Standard-Nachpflanzung als Ausgleich für Baumfällungen anzuerkennen. Die Bäume müssen dann registriert oder in einem Kataster erfasst werden, und es muss nachgewiesen werden, dass sie nicht nach ein paar Jahren wieder gefällt werden. In Potsdam ist das mittlerweile bei etlichen Hausverwaltungen, die ich betreue, Praxis - mit guten Erfolgen. -
Jüngere Bäume und dafür mehr: Grade an wenig befahrenen ländlicheren Straßen oder an Straßen mit breitem Grünstreifen kann in Erwägung gezogen werden, vermehrt zwei bis dreijährige Heister statt Hochstämme zu pflanzen. Vorteil ist, dass man statt wenigen teuren Bäumen viele kleinere kostengünstigere Bäume pflanzt. Mehrere Bäume an einem Standort und dann nach Anwachsen und einigen Jahren Standzeit die besten auswählen und mittels Jungbaumpflege in Hochstämme umwandeln. Nachteile sind, dass kleinere Bäume leichter beschädigt werden können (abknicken, Hundeurin, überfahren, überwuchert).
Abhilfe schafft hier ein Pflegeplan, der genau festlegt, wer, wann und in welchem Umfang für die Pflege der Bäume zuständig ist. Ein guter stabiler Schutz mittels Drahtverbau oder Hülsen wie im Forstbereich schützt vor Beschädigungen und Hundeurin. Die Verwendung von langgestreckten Pflanzcontainern und innovativen Pflanzgefäßen bei der Aufzucht wie Air pots verbessern die Startchancen der kleineren Bäume. Insbesondere die Pflanzung von Bäumen, die gerne Pfahlwurzeln bilden, wie Esskastanie und Walnuss, würden sich für diese Methode eignen. -
Neue Arten und Formen: Es gibt etliche Listen von Forschungsanstalten und Landesämtern, die Baumarten für die extremer werdenden Bedingungen empfehlen. Diese Listen können hilfreich sein, wenn bei Neupflanzungen standortangepasste Bäume ausgesucht werden sollen. Solche Bäume können die Chancen der Pflanzung deutlich erhöhen. Sie allein sind aber kein Garant für den Erfolg, denn bei diesen Arten wird oft der zeitliche Aspekt außer Acht gelassen. Manche Arten sind als Jungbäume besonders anfällig gegenüber extremen Witterungseinflüssen wie Frost oder Trockenheit, entfalten im Alter dann aber die gewünschten Eigenschaften. Andere sind als Jungbäume besonders robust, generieren im Alter dann aber einen Mehraufwand im Bereich Verkehrssicherung und Pflege.
Daher lohnt es sich bei der Auswahl der Arten genau darauf zu achten, zu welchem Zeitpunkt welche Eigenschaften tragen, und die Bedingungen des Standortes genau zu ermitteln. Gleditschien können im mittleren Alter hervorragende, robuste Stadtbäume sein, es kann aber unter Umständen Jahre dauern, bis sie an einem Standort etabliert sind. Esskastanie kann als Jungbaum wunderbar und schnell in die Höhe wachsen, sofern sie die Chance hatte, eine Pfahlwurzel zu bilden. Sie macht aber dann Ärger, wenn sie als erwachsener Baum kiloweise stachelige Früchte auf den Gehweg oder auf parkende Autos abwirft.
Was ist mit Koniferen?
Aber auch altbekannte Arten und Sorten, die bisher wenig als Stadtbäume zum Einsatz kamen, könnten vermehrt in den Fokus des Wandels rücken. Kiefern als Straßenbäume? Blaufichte und Thuja? Aus verschiedenen Gründen wurden diese Gehölze in den letzten Jahrzehnten kaum für Stadtgrün eingesetzt, zumindest nicht als Straßen- und Alleebäume. Dabei sind solche Arten häufig sehr trockenresistent, beherbergen wenige Schädlinge und Krankheiten und bieten trotzdem viele Funktionen wie Luftfilterung, Habitatstrukturen, Schattenwurf und ähnliches. Probleme gibt es eher im Verkehrsbereich, wenn sie als Jungbäume mit dichten niedrigen Kronen zunächst die Sicht verdecken. Koniferen im allgemeinen haben immer noch den den Ruf, wenigen Insekten Lebensraum zu bieten, und haben das Image des Friedhofsgewächses. Studien zeigen aber, dass sie Laubbäumen oft in diesen Eigenschaften in nichts nachstehen. In Südeuropa ist es viel üblicher, solche Bäume im Straßenbild zu haben. Man denke nur an die südfranzösischen Pinienalleen oder an die Säulenzypressen der Toskana.
Neue Denkmuster wagen
Es gibt nicht die eine große Lösung! Die Anpassung und der Wandel in den Städten ist ein mühseliges kleinteiliges Geschäft, wo viel ausprobiert und kombiniert werden muss und wo wir bereit sein sollten, alte Denkmuster zu hinterfragen. Neue Arten, aber auch neue Flächenstrukturen in den Städten sind nötig. Seitens der Behörden muss man vermehrt von Normen abweichen und auch ungewöhnliche Lösungen zulassen. Warum nicht mal, statt an der vielbefahrenen Straße teure Hochstämme pflanzen, die dann nach etlichen Jahren der intensiven Pflege ihr Totholz auf die Autos werfen, Sträucher, die ebenfalls Feinstaub filtern. Warum nicht ganze Stadtteile autofrei? Eine Allee aus Waldkiefern, oder 30 % des Stadtparks einfach verwildern lassen? In vielen Städten ist man bereits in dieser Richtung unterwegs, ich kann nur sagen: Weiter so!
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