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Bäume nach Schnitten und Verletzungen

Beobachtungen zu Abschottungsverhalten und Schnittverträglichkeit

Baumpfleger Eric Rouven Seiler aus Saulheim (Baumpflege-Rheinhessen GbR) beobachtet Bäume und ihr Verhalten genau, vor allem nach Baumschnitten. Was ihm auffiel und welche Schlussfolgerungen gezogen werden können, möchte er mit Kolleginnen und Kollegen teilen, ohne  wissenschaftlichen Anspruch.

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Birgit Klumpp/Rinau Baumpflege
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"Den kannst du runter schneiden, der kommt schon wieder.“ „Wie viel können Sie denn noch abschneiden?" In den Jahren der Baumpflege sind meine Kollegen und ich oft genug mit derartigen Aussagen konfrontiert worden. Nüchtern betrachtet „stimmt“ zumindest erster Satz definitiv. Ja, der Baum kommt wieder. Diese Beobachtung der Reaktion des Baumes ist unwiderlegbar. Hier liegen baumbiologische und baumphysiologische Prozesse zugrunde. Jeder Baum reagiert anders auf die ihm zugefügten Schnitte, auf Wunden - egal ob diese natürlicher oder menschlicher Natur sind.

Der Baum schottet mehr oder weniger gut ab, in dem er seine vier Abschottungszonen (axial, radial, tangential und nach außen hin) aufbaut, um die Ausbreitung von eindringenden Pathogenen zu verhindern. So hat dies schon Alex Shigo vor Jahrzehnten beobachtet und schriftlich festgehalten. Auch werden die Baumarten in gut und schlecht abschottende Baumarten untergliedert. So gelten unter anderem Quercus, Fagus, Tilia, teilweise Acer etc. und Koniferen als Vertreter gut abschottender Baumarten, im Gegensatz zu unter anderem Aesculus, Malus, Prunus, Pyrus, Juglans etc., die eher zu den schlecht abschottenden Baumarten gezählt werden.

Der Baum reagiert aber nicht nur mit dem Aufbau seiner Barrierewände im Holzkörper. Er reagiert auch mit der Ausbildung von Reïterationen sowie mit Blattmasse. Er muss Abwehrstoffe produzieren, um die eigenen Fungizide in die Holzzellen einzulagern. Aufgrund der Baumreaktionen, die wir im Laufe der Zeit beobachtet haben, kann man folgende Behauptung aufstellen: Je stärker der Baum auf einen Schnitt reagiert, also je mehr Austriebe er ausbildet, umso schlechter kann man von seinem Abschottungsverhalten ausgehen. Dies hängt auch massiv von der entnommenen Blattmasse ab. Umgekehrt könnte man quasi behaupten, je besser und effizienter ein Baum sein Abschottungsverhalten zeigt, umso weniger hat er es nötig, mit einem starkem Reïterationsverhalten zu reagieren.

Bedeutung für die Schnittverträglichkeit

Aber was bedeutet dies in Bezug auf die Schnittverträglichkeit? Pauschal könnte man meinen, dass, je besser das Abschottungsverhalten ist, umso weniger Reïterationen er benötigt, um so größer ist seine Schnittverträglichkeit, also umso stärker könnte man den Baum schneiden. Diese Annahme ist aber weit gefehlt. Nennen wir als Beispiel Fagus:

Auf die einzelne Schnittfläche betrachtet, mag die Baumart ein sehr gutes Abschottungsverhalten an den Tag legen. Wenn ein einzelner Ast mit mehr als 10 cm im Durchmesser einer Buche entnommen wird, stellt diese große Schnittwunde für den Baum kein sonderlich großes Problem dar. Die Buche hat es, aufgrund ihres offensichtlich guten Abschottungsverhaltens, also gar nicht notwendig, mit einem starken Austrieb zu reagieren. Schnitte verträgt sie demnach auch gut. Aber auf den ganzen Baum bezogen, begeht man hier einen eklatanten Fehler, der für eine Buche durchaus ein endgültiges Urteil darstellen kann.

Abhängig von der Baumart bedeutet dies nicht, dass man diese stärker schneiden kann. So kann man ein gutes Abschottungsverhalten mit einem schwachen Austriebsvermögen derart verstehen, dass diese Baumart keine gute Schnittverträglichkeit besitzt. Bezogen auf die Buche wäre nämlich eine gute Schnittverträglichkeit, dass der Baum stärker ausgedünnt werden könnte. Nur funktioniert dies bei einer Baumart wie Fagus nicht ohne Weiteres. Denn bei einer stärkeren Ausdünnung erleidet der Baum aufgrund seiner Dünnborkigkeit bei Sonne Überhitzung mit irreparablen Schäden bis zum Absterben.

Umgekehrt würde dies aber bedeuten, dass schlecht abschottende Baumarten mit einem starken Austriebsvermögen und somit auch mit einer guten Schnittverträglichkeit reagieren. Auch dies ist komplett falsch. Wenn also gut abschottende Bäume schon eine eingeschränkte Schnittverträglichkeit aufweisen, haben schlecht abschottende Bäume konsequenterweise eine noch stärker eingeschränkte Schnittverträglichkeit und müssen, um entsprechende baumeigene Abwehrstoffe produzieren zu können, mit einem deutlich stärkeren Austriebsvermögen reagieren.

So komplex das Abschottungsverhalten im Baum als solches schon ist, mit all seinen biochemischen Prozessen auf seiner Zellbasis, so komplex sind die Fragen für den Baumpfleger: Wie gut kann der vor mir stehende Baum im Inneren überhaupt abschotten, wie stark wird der Baum auf meinen Schnitt hin mit Austrieben reagieren, und wie viel darf ich ihm überhaupt wegschneiden? Jede Reaktion des Baumes beruht auf einer Ursache. Dies gilt es zu berücksichtigen und zu bedenken.

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