Kleine Wanzen groß im Kommen
Höhere Temperaturen, bedingt durch den Klimawandel, und der globalisierte Handel begünstigen die Einwanderung von exotischen Insekten. Neu bei uns sind zwei Netzwanzenarten, die an Gehölzen und Autolack Schäden verursachen. Details erklärt Dr. Olaf Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe.
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Die nur wenige Millimeter kleinen Netzwanzen selbst sind auf den ersten Blick unsichtbar. Sehr auffällig ist aber das Fraßbild, die gelblichen, ausgesaugten Blätter und die typischen schwarzen Kotflecken auf der Blattunterseite. Auf den ersten Blick kann man das Schadbild mit dem von Spinnmilben oder Zikaden verwechseln.
Von den etwa 75 Arten in Deutschland von weltweit über 2.000 Arten sind nur wenige schädlich. Bei diesen Arten handelt es sich in der Regel um durch den globalen Handel verschleppte oder aus dem Mittelmeer zuwandernde Arten. Die meisten Netzwanzen haben ein enges Wirtsspektrum. Sie sind wenig mobil und werden lokal eher passiv verbreitet, zum Beispiel durch parkende Autos oder verwirbelt entlang der Bahnlinien.
Es treten bei uns bereits die Andromeda-Netzwanze an der Lavendelheide und zwei Arten an Rhododendron auf, sowie die Platanennetzwanze. Diese tritt vom Südwesten bis in den Oberrhein auf, fehlt weitgehend in Norddeutschland und ist eine von mehreren Schaderregern in den Platanenalleen.
Im Südwesten Deutschlands breitet sich die wärmeliebende Birnblattwanze nun stärker aus, und die Eichennetzwanze ist neu in Deutschland. Sie hat sich im Raum Karlsruhe etabliert und breitet sich aktuell aus. Im Mittelmeerraum treten außerdem die invasive Jasmin-Netzwanzen und die Lorbeer-Netzwanze auf. Es ist also sinnvoll, bei vergilbten Blättern mit Kotflecken auf der Blattunterseite eine Probe an den lokalen Beratungsdienst oder den Pflanzenschutzdienst einzuschicken. Die schädlichen Netzwanzen-Arten sind graubraun gefärbt und alle kleine „Glasbläser-Kunstwerke“. Sie haben glasartig durchsichtige Flügeldecken, die zum Teil aufgewölbt sind und dunkle Flecken tragen.
Achtung - nicht selbst zum Überträger werden!
Die Bekämpfung der Netzwanzen ist relativ schwierig, da sie schnell große Populationen bilden und zu Beginn der „Invasion“ nicht bemerkt werden. Zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen saugende Insekten, zum Beispiel auf Neem-Basis, sind wirksam. Beim Ausschneiden befallener Blätter oder Äste muss man aufpassen, dass man nicht selbst zur Verbreitung beiträgt. Die Wanzen lassen sich fallen und sitzen schnell in den Haaren oder auf der Kleidung. Man sollte auch den Rückschnitt gut verpackt in den Restmüll geben, denn sonst trägt eine Bekämpfungsaktion schnell zur Verbreitung der Netzwanzen bei.
Birnblattwanze
Die Birnblattwanze Stephanitis pyri trägt die Birne bereits in ihrem wissenschaftlichen Namen. Sie ist bis zu 3 mm lang und hat den typischen glasartigen, gewölbten Körper und zwei dunkle Querstreifen. Die Birnblattwanze ist auch an anderen Obst- und Wildobstbäumen zu finden. Nachgewiesene Wirte sind neben Birne (Pyrus) auch Apfel (Malus), Mehlbeere (Sorbus, Baum des Jahres 2024 Sorbus aria), Kirschen (Prunus) und selten auch andere Gehölzarten. Da offenbar verholzende Rosaceen ihre bevorzugten Wirte sind, sind Massenauftreten und Totalschäden an Cotoneaster, der als Bodendecker weit verbreiteten Zwergmispel, bekannt. An Rosen wurde sie bisher nicht beobachtet.
Zur Biologie der Birnnetzwanze ist nur wenig bekannt. Sie scheint nicht an den Wirtspflanzen zu überwintern, was die Bekämpfung erschwert. Während andere Arten ihre Eier auf oder in die Blätter ablegen, verlassen die Birnblattwanzen die Pflanze. Dann bleibt dem Gärtner oder der Gärtnerin nur das Schadbild, und eine Bekämpfung außer einem Rückschnitt ist dann auch nicht mehr nötig.
Die Birnblattwanze kommt von Nordafrika und Südwesteuropa bis Mittelasien vor. Während sie im Südwesten Deutschland nun immer häufiger auftritt und das Schadbild beim Pflanzenschutzdienst angefragt wird, ist sie zum Beispiel in Österreich aufgrund ihres beschränkten Auftretens in Kärnten im Naturschutz eine vergleichsweise seltene Art. Die Birnblattwanze eine von mehreren klimasensitiven Insektenarten, die vom Klimawandel profitieren und von Südeuropa aus nun eine Arealerweiterung nach Mitteleuropa zeigt und dort vor allem die urbanen Räume erobert.
Eichennetzwanze
Die Eichennetzwanze Corythucha arcuata ist mit der bereits weit verbreitet auftretenden Platannetzwanze näher verwandt. Sie ist bis zu 4 mm lang und hat ebenso den typischen glasartig genetzten Körper und mehrere dunkle Flecken, durch die man sie von anderen Arten unterscheiden kann. Die Eichennetzwanze bevorzugt Eichen (Quercus) und es gibt Einzelnachweise Breitblättriger Mehlbeere (Sorbus latifolia), sowie an Edelkastanie (Castanea sativa) und Spitzahorn (Acer platanoides).
Wie bei anderen Netzwanzen kommt es nicht zum Absterben von Bäumen, aber zur Reduktion der Assimilationsleistung durch das Aussaugen und Absterben der vergilbten Blätter. Ihre Eier verankert die Eichennetzwanze auf der Blattunterseite. Ein Massenauftreten in Parkanlagen und Alleen kann wie bei den Platanennetzwanzen ganz unerwartete Schäden verursachen. Der punktförmig abgesetzte, schwarze Kot ist ätzend und kann bei geparkten Autos zu Lackschäden führen. Dies wurde bei Platanennetzwanzen bereits beobachtet. Und im städtischen Bereich gehen Netzwanzen von den Platanen in die anliegenden Wohnungen und treten dort zu hunderten als nicht bekämpfbare Lästlinge auf dem Balkon und im Innenraum auf. Das könnte bei der weiteren Verbreitung der Eichennetzwanze auch der Fall sein.
Die Eichennetzwanze stammt aus Nordamerika. Sie wurde also im Gegensatz zur Birnblattwanze kontinental verschleppt. Im Jahr 2000 wurde sie in Norditalien gefunden, hat schrittweise Europa besiedelt, wurde 2019 in Österreich gesichtet und 2021 in Deutschland zum ersten Mal im Wald bei Schwetzingen nachgewiesen. Sie hat neben dem Stadtgebiet Karlsruhe 2022 die südliche Bergstraße erreicht. Es ist damit zu rechnen, dass sie sich im Rheingraben weiter ausbreitet und durch Handel und Verkehr in Großstädte weiter ausbreiten wird.
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