Was heißt nachhaltige kommunale Grünflächenpflege?
In Gemeinden und Städten ist eine große Menge an Biodiversität möglich. Die lässt sich durch die richtigen Pflegemaßnahmen schützen und ausbauen. Dabei geht es weniger darum, mehr zu pflegen, sondern die Pflegemaßnahmen so umzuorgansieren und das Pflegepersonal so zu schulen, dass nicht der Aufwand steigt, sondern sich nur die Art der Tätigkeiten ändert. Zu einem veränderten Pflegekonzept gehört auch eine Strategie für anfallende Biomasse. In dieser Checkliste beschreiben wir, worauf es dabei ankommt.
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Kommunikation von Pflegemaßnahmen wird immer wichtiger
Althergebrachte Ordnungsvorstellungen sind weit verbreitet und tun, wenn man sie zum Maßstab der Pflege erhebt, der Biodiversität nicht gut. Deswegen steht die Kommunikation ganz oben auf der kommunalen Agenda:
> Weshalb werden bestimmte Dinge so gemacht, wie sie gemacht werden?
> Welche Ziele verfolgt die Kommune?
> Welche Erwartungen gibt es und in welchen Zeiträumen passiert was?
> Weshalb sehen manche Flächen nicht das ganze Jahr über „schön“ aus?
Zu diesen Fragen kann man über die örtlichen Medien, das Amtsblatt, die kommunale Webseite, die SocialMedia, über Postwurfsendungen, Arbeitsmaterialien für die Kindergärten und Schulen oder über Infotafeln mit QR-Code-Anbindung Stellung beziehen.
Rasen- und Wiesenschnitt
> Rasen- und Wiesenschnitt der Nutzung anpassen: Viele kommunale Rasenflächen könnten extensiver gepflegt und durch Beseitigung des Mähgutes abgemagert werden. Dadurch sinkt automatisch die Wüchsigkeit, was wiederum die Zahl der Mähgänge reduziert. Je magerer der Untergrund, desto artenreicher wird in der Regel die Pflanzengesellschaft und die an sie angepasste Fauna. Oft stellen sich neue Arten ein oder es kommen Arten nach jahrelanger Unterdrückung wieder zum Vorschein.
> Nicht regelmäßig durch Sport oder andere Veranstaltungen genutzte Rasenflächen müssen in der Regel nicht gedüngt werden. Das spart nicht nur Geld und Aufwand, sondern ist zugleich ein Beitrag dazu Fauna, Flora und Grundwasser zu schonen.
> Mähtechnik auf Pflegeziele abstellen: Die Rasenpflegetechnik ist oft auf reine Effizienz ausgerichtet. Hier sollten besonders bei der Neuanschaffung von Mähtechnik die angepeilten Entwicklungsziele der zu pflegenden Flächen berücksichtigt werden. Balkenmäher für die Wiesenflächen sind besonders dann sinnvoll, wenn die effiziente Aufnahme des Mähgutes gewährleistet werden kann. Mulchmäher sind im Hinblick auf den Artenschutz selten die beste Lösung. Siehe dazu auch unsere Checklisten naturnah mähen und ökologische Mähtechniken. Das Gewicht des Pflegegeräts muss zur Bodenbeschaffenheit passen (Vorsicht vor Bodenverdichtung!).
> Es ist immer zu prüfen, welche Schnitthäufigkeit für die Nutzung der Fläche oder die Entwicklungsziele notwendig ist. Ein hoher Nährstoffgehalt und der Aufwuchs von hohen Gräsern kann häufigeres Mähen und Abräumen notwendig machen. Gleichzeitig hilft abschnittsweises Mähen oder das Auslassen von ungemähten Streifen, die vorhandene Fauna zu schützen. Ebenso zu beachten ist die Schnitthöhe (nicht zu tief).
> Säume vor Hecken oder Gehölzgruppen sind wertvolle Biotope und sollten so wenig wie möglich gemäht werden. Die Mahd sollte zum Ende der Vegetationsperiode oder kurz vor Beginn des Frühjahrs durchgeführt werden. Das Mähgut ist zu entfernen.
Böschungspflege
> Böschungen sind oft besondere Biotope: Sie werden in der Regel wenig genutzt, stellen deshalb oft wertvolle Lebensräume dar. Aus diesem Grund sollte gerade für kommunale Böschungen besonders geprüft werden, ob sie weitestgehend renaturiert und aus der regelmäßigen Pflege genommen werden können. Das gilt sowohl für sonnenexponierte Trockenhänge, wie auch für offene Bodenanschnitte oder lückige Rasen, Schattenhänge, Säume oder Böschungen mit Quellhorizonten. Mithilfe eines Netzwerkes aus extensiv unterhaltenen Böschungen lässt sich ein kleiner Biotopverbund aufbauen. (Vergleiche dazu unsere Checkliste kommunaler Biotope)
> Müssen Böschungen tatsächlich gemäht werden, sollte dies mit extensiver Mähtechnik erfolgen - also mit dem Balkenmäher, dem Freischneider oder der Sense (siehe auch Checkliste ökologisch mähen).
> Schonende Bankettpflege: Auch Straßenränder werden oft "überpflegt" - sowohl was die Schnitthäufigkeit als auch die Schnitttechnik angeht. Oft handelt es sich um Bereiche auf magerem Substrat, die durchaus Biotopcharakter haben können. Mulchmahd führt hier zur Zerstörung von Lebensgemeinschaften im Einzugsbereich der Verkehrswege. Die Bankette sind der unmittelbare Rand an der Straße, Leitpfosten, Leitplanken und Kurvenpfeile müssen sichtbar freigehalten werden, d.h. da muss häufiger geschnitten werden.
Wird das Mähgut nicht abgesaugt, sondern mechanisch eingesammelt, ist es übrigens Studien zufolge nicht stärker mit Schadstoffen belastet, als normaler Grünschnitt. Problematisch sind vielmehr Bodenpartikel.
Pflege von Stauden- und Bodendeckerflächen
> Bodendeckerflächen umgestalten: Kommunale Pflanzungen aus Bodendeckern wie Cotoneaster, Schneebeere oder anderen flächig wachsenden Gehölzen ziehen illegale Müllablagerungen und Ratten an. Sie sind selten attraktiv und unangenehm zu unterhalten, zumal sie oft von unerwünschten Beikräutern und Gräser wie Acker-Kratzdistel, Quecke, Zaunwinde und Schachtelhalm unterwandert werden. Solche Flächen sollten gründlich gerodet und durch Bodentausch auf eine Staudenpflanzung auf nährstoffarmem Substrat (z.B. Wandkies 0/32) vorbereitet werden.
> Staudenpflanzungen (z.B. Pflanzenmischungen wie „Silbersommer“ u.ä.) sind nicht nur attraktiver und führen damit zu mehr Akzeptanz und weniger Vermüllung, sondern sie sind auch ökologisch wertvoller. Besonders Insekten profitieren bei entsprechender Artenzusammenstellung von der Vielfalt des Angebotes. Eine mineralische Mulchung schützt vor erhöhtem Beikrautaufkommen (Achtung: den Sinn und das Ziel von mineralischen Mulchdecken über die Lokalpresse oder geeignete Kommunikationsmedien erklären).
> So genannte Wechselflorbepflanzungen aus ein- und zweijährigen Zierpflanzen findet zwar besonders beim älteren Teil der Bevölkerung immer noch Anklang – die Kosten und der erhöhte Aufwand durch solche Pflanzungen lassen sich aber kaum begründen. Auch diese Flächen können durch Staudenpflanzungen attraktiv und pflegeleicht gestaltet werden.
> Ruderalflächen von der Pflege ausnehmen: Gerade im kommunalen Umfeld gibt es immer Brachflächen und Wegränder, die durch Ruderalpflanzen dominiert werden. Solche, aus Hochstauden und hochwachsenden Kräutern aufgebauten Fluren sind wichtig für die Strukturvielfalt und sollten erst kurz vor Wiederaustrieb heruntergeschnitten und abgeräumt werden. Gerade die trockenen Samenstände und Stengel der Pflanzen sind für Vögel und überwinternde Insekten wichtig. (Umweltkommunikation hilft die Ziele zu erklären!)
Graben- und Gewässerrandpflege
> Gräben sind wertvolle lineare Biotope mit Flora und Fauna feuchter oder wechselfeuchter Bereich. Sie sollten deshalb extensiv gepflegt, d.h. von regelmäßigen Unterhaltungsmaßnahmen ausgenommen werden – merke: Das Wasser fließt auch durch die Vegetation ab.
> Schonend räumen: Müssen Gräben oder die Grabensohle zur Aufrechterhaltung der Funktion geräumt werden, so sollte das so schonend wie möglich geschehen – möglichst abschnittsweise. Der Aushub wird sinnvollerweise abgefahren oder auf angrenzenden Ackerflächen untergearbeitet, nicht aber auf bestehende Vegetationsdecken abgekippt!
Hecken- und Gehölzpflege
> Freiwachsende Hecken sind wertvolle lineare Biotope und bedürfen keiner großen Pflegemaßnahmen – es sei denn zum Erhalten des Lichtraumprofils bei angrenzenden Wegeflächen. Sollen Hecken durch auf den Stock setzen verjüngt werden, darf das nur außerhalb der Vegetationszeit und abschnittsweise geschehen.
> Schnitthecken aus Buche, Eibe, Eiche, Hainbuche oder Weißdorn sind wichtige Gestaltungselemente zum Aufteilen und Gliedern von Flächen. Ihr Schnitt erfolgt in der Regel ab Mitte Juni nach dem Haupttriebwachstum oder zum Ende der Vegetationszeit. Zwar lässt sich der Schnitt durch Anbaugeräte vereinfachen, das optische Ergebnis ist aber selten mit einem händischen Schnitt zu vergleichen. Ist ein maschineller Schnitt unumgänglich, sollte eine sorgfältige Geräteauswahl vorgenommen werden - auch im Hinblick auf Reifendruck beim Schnitt über angrenzende Grünflächen.
> Strauchgehölze: Sehr häufig, vor allem in Wohngebieten, sieht man zu Keulen oder Kugeln geschnittene Sträucher. Dieser Schnitt ist nicht nur ästhetisch fragwürdig. Nur ein natürlich gewachsenes Gehölz kann seinen arttypischen Habitus entfalten, der es zu einem Schmuckgehölz macht, und nur dann kommt er zu Blüte und Frucht, was auch für die Tierwelt nützlich ist. Sparen Sie sich deshalb lieber diese meist von Laien ausgeführten Schnitte.
Baumpflege
> Die Baumpflege sollte so schonend wie möglich erfolgen – mit einem Schwerpunkt auf der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht. Ein Schutz der im Baum vorhandenen Lebensräume gehört in ein integriertes Baumpflegkonzept. Vorausschauende Pflege hilft, Fehlentwicklungen vorzubeugen und damit größere Eingriffe zu verhindern.
> Eichenprozesssionsspinner (EPS)-Bekämpfung: Immer mehr Eichenbestände werden durch EPS zur Gesundheitsgefahr. Auch wenn es sich bei den eingesetzten Mittel um biologische Mittel handelt, so ist zu bedenken, dass die EPS-Bekämpfung nicht nur teuer und aufwändig ist, sondern die eingesetzten Organismen gegen alle Schmetterlingslarven wirken. Absaugen von Raupennestern erspart den Einsatz von Insektiziden. Wo immer möglich, sollten temporäre Sperrzonen während der Raupenentwicklung der EPS-Bekämpfung vorgezogen werden - aber vorsicht - auch von alten Nestern kann noch eine Gefährdung ausgehen.
> Es muss auch mal ein toter Baum stehen bleiben dürfen. Das gilt besonders für solche Bäume, die keine Gefahr im Sinne der Verkehrssicherungspflicht darstellen.
Laubbeseitigung
> Herbstlaub nutzen: Die Blätter, die zum Ende der Vegetation auf Bürgersteig und Straße fallen und dort beseitigt werden müssen, sind zu schade für die Entsorgung. Das Herbstlaub sollte auf jeden Fall in eine kommunale Biomassestrategie eingebunden werden (Laubpellets, Laubbriketts).
> Sinnlosen Laubläser/-saugereinsatz vermeiden: Geräte, die mit viel Lärm Blätter durch die Gegend pusten oder einsaugen sind bei Bürgern nicht gut gelitten. Hier ist zu prüfen, wo ihr Einsatz (und zu welcher Uhrzeit!) sinnvoll ist. Auf jeden Fall sollte das Laub trocken sein. Geräte oder Strategien zum Sammeln sind ohnehin die bessere Alternative. Akkugeräte sind grundsätzlich leister.
> Bürger aufklären: Für die Beratung von Bürgern im Sinne des Belassens von Herbstlaub im Garten, haben wir ein eigenes Infoblatt erarbeitet, dessen Inhalt für die kommunale Beratung individualisiert werden kann (Infoblatt Herbstlaub). Zu berücksichtigen ist, dass es Schädlinge und Pilzkrankheiten gibt, die im Laub überwintern und im Frühjahr wieder „angreifen“. In dem Fall muss das Laub entsorgt werden.
Umgang mit Neophyten
> Gezielte Maßnahmen prüfen: Durch den globalen Welthandel und die Überdüngung vieler Flächen wandern neue Arten ein und finden zum Teil optimale Bedingungen vor. Fallopia (Syn. Reynoutria) japonica, Heracleum mantegazzianum, Impatiens glandulifera, Senecio inaequidens oder Solidago canadensis bilden zum Teil Massenbestände und verdrängen ganze Biotope. Gezielte Mähmaßnahmen in Verbindung mit der Verwertung als Energiepflanzen können eine sinnvolle Pflegestrategie sein.
Umgang mit Landschaftspflegematerial
> Biomasse nutzen: In kommunalen Biotopen ist Nährstoffmangel eher selten. Meistens gibt es ein Nährstoffüberangebot, weshalb Schnitt- und Mähgut in vielen Fällen von den Flächen entfernt werden müssen. Der Umgang mit regelmäßig anfallender Biomasse sollte innerhalb einer kommunalen Biomassestrategie geregelt werden. Je nach anfallendem Material kann landschaftspflegematerial nach entsprechender Aufbereitung über Vergärung (Biogas) oder Verbrennung in Energie umgewandelt werden. Solange das anfallende Material selbst verwertet wird (also z.B. innerhalb der eigenen Kommune) gelten sie nicht als Abfall. Nach neusten Untersuchungen (Vgl. LWG Veitshöchheim) liegen selbst bei Schnitt entlang von Straßen die Schadstoffe unter den Grenzwerten für Komposte. Die Schadstoffgehalte sind umso geringer, je weniger die Straßen befahren werden, je weiter weg von der Straße gemäht wird und je weniger Boden beim Mähen ins Mähgut gelangt (optimal: Balkenmäher, Handaufnahme).
Die Bioabfallverordnung ist in diesem Fall nicht zeitgemäß!
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