... Baumpfleger und Forstwirt Hüseyin Dietz-Gültekin
Hüseyin Dietz-Gültekin, der in seinem Unternehmen demnächst eine Quereinsteigerin ausbildet, spricht sich für einen Ausbildungsberuf BaumpflegerIn aus - aus mehreren Gründen. Für die Vergabe von Baumpflegeaufträgen fordert er ganz klar: Qualifikation vor Wirtschaftlichkeit!
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Hüseyin Dietz-Gültekin (Jahrgang 1972) ist gelernter Forstwirt und seit 1999 in der Baumpflege tätig. 2005 erlangte er den Abschluss als European TreeWorker, 2006 zum Forstwirtschaftsmeister und 2006 zum Fachagrarwirt Baumpflege und Baumsanierung. Zudem ist er ausgebildeter Kletterer, Ausbilder und Naturparkführer. Sein Unternehmen in Bessenbach (Unterfranken) bietet Baumpflege, Baumkontrolle und weitere Dienstleistungen (www.dietz-baumpflege.de) und berät seit 2008 Sägen-Hersteller Stihl zum Thema Baumpflege.
Unsere fünf Fragen hat er ausführlich beantwortet:
Wie schätzen Sie den Ausbildungs- und Qualifikationsstand in den gewerblich angemeldeten Baumpflegebetrieben ein?
Der Standard hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert und ist aus meiner Sicht im Durchschnitt als mäßig zu betrachten. Der Grund: Eine Vielzahl der Beschäftigten kommt nicht aus der grünen Branche, viele sind Quereinsteiger und in einem komplett neuen Berufsbild mit vielfältigen Aufgaben konfrontiert.
Wie schätzen Sie den Standard bei der Arbeitssicherheit in diesen Betrieben ein – sie ist ja auch ein Teil der Qualifikation?
Der Punkt Arbeitssicherheit nimmt einen wesentlichen Teil der Ausbildung und der Qualifikation ein. Die Sicherheit wird in den meisten Betrieben sehr ernst genommen, da die Tätigkeiten sehr vielfältig und oft nicht ohne Risiko sind, wie z. B. das Arbeiten in Seilklettertechnik und die damit verbundene Gefahr eines Absturzes. Behördliche Stellen wie z.B. die SVLFG arbeiten sehr eng mit den Schulen zusammen und versuchen so, die Zahl der Unfälle zu reduzieren.
Wären Sie für einen Ausbildungsberuf Baumpfleger oder ist es besser, so wie jetzt üblich erst eine gärtnerische/landwirtschaftliche Ausbildung zu machen, um sich dann als Baumpfleger zu qualifizieren? Oder welche Vorschläge haben Sie?
Der Ausbildungsberuf BaumpflegerIn mit einheitlichem Rahmenplan würde einen gleichmäßigen Ausbildungsstandard für alle Auszubildenden bedeuten. Momentan gibt es Ansätze, durch eine Initiative der RAL Gütesicherung und in einzelnen Betrieben, Pläne für eine Ausbildung zu etablieren. Die Idee ist gut, kommt aber in der breiten Masse meines Erachtens nicht an. Ziel muss es sein, einen anerkannten Ausbildungsberuf zum Baumpfleger zu etablieren, um den Anforderungen der heutigen Zeit, aber auch der Zukunft in Bezug auf Bäume, Umwelt und Natur gerecht zu werden.
Sie bilden demnächst eine Quereinsteigerin aus, die zuvor einen „nicht-grünen“ Beruf erlernt, aber eine Leidenschaft fürs Klettern hat. Wie gehen Sie das an?
Unsere neue Mitarbeiterin zeigt großes Interesse an Bäumen und Natur und verbringt einen Großteil ihrer Freizeit mit Klettern. Das sind gute Voraussetzungen, um den Beruf der Baumpflegerin zu erlernen. Gut klettern zu können, bedeutet aber nicht, Bäume pflegen und schneiden zu können. Das Klettern ist in unserem Fall Mittel zum Zweck, z. B. zum Erreichen der höherliegenden Teile des Baumes, um etwa Totholz zu beseitigen.
Die Ausbildung erfolgt in unserem Team berufsbegleitend, d.h. sie ist im normalen Arbeitsalltag eingebunden und lernt so alle Baumpflege-Bereiche kennen: das Pflanzen, das Pflegen und das Fällen im Kreislauf. Der Ablauf der Ausbildung sieht folgendes vor:
- Im 1. Jahr: Erste-Hilfe-Kurs, Arbeitsmedizinische Untersuchung, Führerschein, RSA-Schulung, Führen vom Maschinen, z. B. Hubarbeitsbühne, AS Baum 1-Kurs, SKT A-Kurs.
- Im 2. Jahr: AS Baum II-Kurs
- Nach 300 h arbeiten in Seilklettertechnik folgt der SKT B-Kurs. Parallel Kurse und Schulungen über naturrechtliche Vorgaben, Botanik, Pflanzenkunde und Bodenbearbeitung sowiebaumpflegerische Aufgaben und Ziele, ZTV Baum und Baumkontrolle.
Wenn man sieht, wie viele Bäume durch vermeintliche Baumpflegebetriebe „vergewaltigt“ werden – was wären für Sie die Kriterien, nach denen Auftraggeber Baumpflegeaufträge verpflichtend ausschreiben/vergeben sollen?
Aufgrund wirtschaftlicher Fehlkalkulationen und fehlender Berufsqualifikation ergibt sich tatsächlich oft ein trauriges Bild von Bäumen, vor allem unter Stromtrassen und leider auch entlang von Straßen, in den Kommunen und in Privatgärten. Aus meiner Sicht sollten dies die Kriterien sein:
- Eindeutige und vergleichbare Ausschreibungen
- Vergabe nur an Fachbetriebe mit baumpflegerischer Ausbildung
- Überwachung und Abnahme durch ein externes Büro oder Fachbetrieb
- Grundsätzlich: Qualifikation über Wirtschaftlichkeit stellen!
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