
Zwischen Kasernen und Naturschutz
Bei der Bundeswehr denkt man zuerst an Panzer, Übungen und Kasernen – kaum jedoch an Rasenpflege oder Baumkontrollen. Dabei ist die militärische Nutzung der riesigen Flächen nur möglich, wenn sie entsprechend gepflegt werden – möglichst unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte.
von Susanne Wannags erschienen am 10.12.2025Hubertus H. ist seit 1988 als Leiter Geländebetreuung in der Bundeswehr tätig. 1990 kam der Ingenieur, der an der Fachhochschule Soest Agrarwirtschaft studiert hat, in dieser Funktion ins Bundeswehr-Dienstleistungszentrum (BwDLZ) Münster, in dem im Rahmen der Strukturreformen 14 ehemalige Standortverwaltungen in Nordrhein-Westfalen aufgegangen sind. Fünf eigene Betriebshöfe mit dazugehöriger Landmaschinenwerkstatt und drei Gärtnergruppen sind noch existent.

Aufgaben des Geländebetreuungsdienstes
Der Geländebetreuungsdienst (GBD) hat vielfältige Aufgaben. Dazu gehört die Durchführung der landschaftspflegerischen und gärtnerischen Maßnahmen auf den Liegenschaften der Bundeswehr nach den militärischen Anforderungen: „Die landschaftsgärtnerischen Anlagen reichen vom Rosenbeet an der Kaserne bis zu den Extensivflächen auf den Übungsgeländen“, sagt Hubertus H. Weitere Aufgaben sind die Verkehrssicherung an Bäumen, die Vogelschlagverhütung auf Flugplätzen sowie die Pflege und Instandhaltung der Übungsanlagen. Nach einer Umstrukturierung der Bundeswehr im Jahr 2012 kam zum operativen Geschäft die naturschutzfachliche Planung dazu. In Münster verfügt man außerdem über Fachleute für die Renovation und Pflege von Sportanlagen, insbesondere der 40 ha großen Sportschule der Bundeswehr in Warendorf.
Das Gebiet des BwDLZ Münster erstreckt sich von Rheine bis Lüdenscheid, von Winterberg bis Kleve – 40 Liegenschaften mit insgesamt 2.500 ha Fläche. Davon entfallen 1.600 ha auf sogenannte Betreuungsflächen; weitere 900 ha Forst bewirtschaftet der Bundesforstbetrieb Rhein-Weser.
Militärische Nutzung und Naturschutz
Neben den landschaftsgärtnerischen und baumpflegerischen Arbeiten hat der GBD eine weitere wichtige Aufgabe: Er ist Ansprechpartner und Koordinator für naturschutzfachliche und ökologische Belange – sowohl für die Bundeswehr als auch für Landesbehörden. Umweltschutz und militärische Nutzung widersprechen sich nicht – im Gegenteil. Von den annähernd 228.000 ha Gesamtfläche aller Übungsplätze der Bundeswehr sind über 135.000 ha ausgewiesen als „Natura 2000“-Schutzgebiete. Dort finden viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Militärische Übungen werden möglichst so geplant, dass ökologische Schäden vermieden werden. „Auch wenn sogar im Naturschutzgesetz steht, dass die militärische Nutzung Vorrang hat, versuchen wir immer, eine Balance zwischen Übungseinsatz und Ökologie zu finden“, sagt Hubertus H.
Von Renaturierung bis zur Verjüngung von Grasland
Das Engagement reicht bis zu konkreten Baumaßnahmen. Ein Beispiel ist die Renaturierung der Ems auf dem Übungsgelände Dorbaum, bei dem das Pionierbrückenbataillon 130 aus Minden das steinerne Flussbett ausgehoben und wieder in natürliche Bahnen gelenkt hat. Außerdem wurden drei Brückenköpfe über den Fluss angelegt.

Sogar Grundlagenforschung wird bei der Bundeswehr betrieben. Vor kurzem begann in Dorbaum ein fünfjähriger Versuch unter wissenschaftlicher Begleitung zum Abbrennen von Grünland. „Das Pflegebrennen von Heideflächen ist üblich, das Abbrennen von Grasflächen ungewöhnlich“, sagt Hubertus H. „Ziel ist es festzustellen, wie sich die Flächen anschließend entwickeln, welche Insekten, Pflanzen und Tiere sich dort wieder ansiedeln.“ Dazu gab es im Vorfeld umfangreiche Biotop- und Artenkartierungen, die in den Folgejahren wiederholt werden. „Sollten wir feststellen, dass sich die Fläche verjüngt und die Artenvielfalt steigt, könnte das auch eine Methode für landwirtschaftliche Grenzlandflächen sein.“
Nachhaltige Pflege im Alltag
Nicht nur auf den Übungsflächen wird auf umweltschonende Maßnahmen geachtet, sondern auch auf den Kasernengeländen. Während Kommunen und Privatleute Rasenflächen oft auf 2 bis 3 cm abmähen, sind die „Gebrauchsrasenflächen“, wie Hubertus H. sie nennt, dort in der Regel 6 bis 8 cm lang. „Optisch ist das im Vergleich mit kurz gemähtem Rasen kaum ein Unterschied, ökologisch schon. Es kommen beim Mähen weniger Insekten zu Schaden, die Taubildung wird gefördert, es gibt weniger Trockenschäden. Wenn Sie dann noch eher sandigen Boden haben, siedeln sich dort viele Kräuter und Sedum-Arten an.“
Wildkraut wird seit Jahren mit Heißluft oder Heißwasser statt mit Chemie entfernt. Wo immer möglich, werden Benzingeräte durch Akkugeräte ersetzt – vom Trennschleifer über den Freischneider bis zur Motorsäge. Wo benzinbetriebene Geräte nötig sind, etwa für Einsätze im Katastrophenschutz, wird Sonderkraftstoff verwendet. Akkugeräte ermöglichen heutzutage nicht nur abgasfreies, sondern auch lärmreduziertes Arbeiten. Wo Gehörschutz notwendig ist, können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Otoplastiken benutzen, die speziell an die Ohren ihrer Träger angepasst werden und dafür sorgen, dass nur die gehörschädigenden Frequenzen herausgefiltert werden, nicht aber die normalen Umweltgeräusche.
Technik für besondere Anforderungen
Für ihren umfangreichen Aufgabenbereich benötigt die Geländebetreuung einen ebenso umfangreichen Fuhrpark – vom Anbaugrader bis zum Walzenzug. 2015 wurde beim GBD Münster eine Landschaftsbau-Gruppe eingerichtet und 2024 um eine Pioniermaschinen-Gruppe für Wegebau erweitert, die für die Neubeschaffung von Maschinen und Geräten für den Landschafts- und Wegebau sowie die Unterhaltung zuständig ist. „Jährlich investieren wir etwa 3,5 Mio. € in Maschinen“, sagt Hubertus H.
Viele davon sind echte Spezialmaschinen, beispielsweise ein gepanzerter Schlepper. Basismodell ist ein Traktor von John Deere mit einer Kabine aus Panzerstahl und Scheiben aus Panzerglas, die sogar Artilleriegeschossen standhalten. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf den Übungsgeländen noch Munition befindet.

Spezialgeräte und Multifunktionsmaschinen
Zu den dienstältesten Pflegegeräten gehört eine funkferngesteuerte Mähraupe, der „Niko 1“. Er verrichtet seit 2006 seinen Dienst beispielsweise an Munitionsdepots mit steilen Brandschutzwällen. Auch die Mähraupe war damals ein Pionier, da es zwar ferngesteuerte Mäher mit Rädern, aber nicht mit Raupenfahrwerk gab. Zu den Junioren unter den Maschinen gehört hingegen der U530 mit zwei Auslegern von Dücker, den die GBD Münster kürzlich angeschafft hat.

Das Unimog-Grundgerät ermöglicht sowohl im Heckaufbau als auch an der Front den Betrieb von Mähauslegern mit verschiedensten Anbaugeräten. „Im Frühjahr kommt eine Bankettraumfräse zum Einsatz – ein Gerät, das den Straßenrand von Bewuchs freihält. Während der Mähsaison ist der Unimog mit Front- und Heckmäher ausgestattet und ab Herbst können wir mit der Astschere Gehölzpflegearbeiten erledigen.“
Schwerpunkt Baumkontrolle
Ein besonderes Augenmerk gilt der Baumkontrolle – ein Aufgabenfeld, das in den letzten Jahren durch Digitalisierung und Dokumentationspflicht enorm an Bedeutung gewonnen hat. Während seiner 37-jährigen Tätigkeit hat sich der Agraringenieur stets für neue Pflegeverfahren interessiert und vieles mitentwickelt, was heute bei der Bundeswehr Standard ist. Auch der Digitalisierung steht der 61-Jährige aufgeschlossen gegenüber.

Als 2020 eine bundeswehrweite Arbeitsgruppe von der fachvorgesetzten Dienststelle ins Leben gerufen wurde, um ein digitales Baumkataster zu entwickeln, war er mit von der Partie. „Ein digitales Baumkataster einzukaufen als externe Software, ist bei der Bundeswehr vom Verfahren sehr zeitaufwändig.“ Also wurde eine eigene App entwickelt, die das Personal der Geländebetreuung bei der rechtssicheren Dokumentation und der Durchsetzung der Verkehrssicherungspflicht an Bäumen unterstützt.
Baumkontroll-App aus der Praxis
Im Pilotversuch wurde die Baumkontroll-App getestet und aus der Praxis für die Praxis weiterentwickelt. Zum einen dient sie als digitales Baumkataster, zum anderen können dort alle Arbeiten an Bäumen und im Baumumfeld erfasst werden. Damit lassen sich die Arbeitseinsätze nicht nur dokumentieren, sondern auch optimieren.
Aktuell befinden sich bundesweit die Daten von etwa 80.000 Einzelbäumen in der App, bis März 2026 soll der Bestand des BwDLZ Münster komplett aufgenommen sein. „Ab da sollen alle Kontrollen über die App stattfinden und die Mitarbeitenden die Arbeiten komplett über das System dokumentieren. Unser Ziel ist die ganzheitliche Betrachtung von Bäumen, sozusagen eine Lebenslaufakte für jeden Baum: von der Wiege bis zur Bahre, also von der Pflanzung bis zum Fräsen des Wurzelstocks nach einer Fällung“, erklärt Hubertus H. Für den Baumschnitt und die -pflege werden in der Regel Arbeitsbühnen eingesetzt. Da die Standorte der Bäume fast immer gut zugänglich sind, ist Seilklettertechnik nur im Einzelfall notwendig.
Ausbildung und Motivation
Die GBD Münster ist nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Ausbildungsbetrieb mit einer eigenen GaLaBau-Abteilung. Dort sind neben einem Meister und neun Fachkräften auch acht Auszubildende tätig, insgesamt arbeiten in der Geländebetreuung 89 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betriebshöfen, die zum GBD BwDLZ Münster gehören. Jeder Betriebshof wird von einem Meister geleitet. „Drei davon haben die Meisterprüfung während ihrer Tätigkeit bei uns absolviert“, sagt Hubertus H.
Er legt großen Wert darauf, dass Beschäftigte die Möglichkeit zur Weiterbildung und beruflichen Weiterentwicklung haben. „Angelernte Pflegekräfte können sich beispielsweise bei uns mit einer verwaltungseigenen Prüfung zum Facharbeiter weiter qualifizieren.“ Für Facharbeiter der GBD in Nordrhein-Westfalen wiederum gibt es die Möglichkeit eines einwöchigen Lehrgangs mit dem Schwerpunkt „Ökologie heimischer Lebensräume“, in denen sie das Basiswissen für ökologisches Handeln erwerben können.
Motivierte Mitarbeitende von unschätzbarem Wert
Motivierte Mitarbeitende, die wissen, was sie tun, sind nicht nur für privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern auch für eine Behörde wie die Bundeswehr von unschätzbarem Wert. „Unwissende Mitarbeiter, die nicht selbstständig arbeiten können, kosten in der Führung so viel Geld, das holt man nie wieder rein“, sagt Hubertus H. Sein Credo: „Wenig Overhead, also wenig Kontrollinstanzen, gut ausgebildete Mitarbeiter und gute Maschinen.“ Das sind die „Zutaten“ für die Arbeit des GBD Münster, die zeigt, dass militärische Nutzung, Landschaftspflege und Naturschutz nicht im Widerspruch stehen müssen – sondern gemeinsam ein funktionierendes Gesamtsystem bilden.
* Name aus Sicherheitsgründen gekürzt.
1Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Münster, Geländebetreuungsdienst
- Gründung: 1. Februar 1956
- Leiter: Hubertus H.
- Budget: flexibles Budget nach jährlichen Voranschlägen und Haushaltslage.
- Tätigkeitsfelder: Pflege und Unterhaltung aller Außenanlagen auf Bundeswehr-Liegenschaften gemäß Nutzeranforderungen und militärischer Zweckbestimmung, Wahrnehmung der Betreiberverantwortung, fachliche und naturschutzfachliche Begleitung aller Baumaßnahmen in Bundeswehr-Liegenschaften, Erstellen und Umsetzen naturschutzfachlicher Planungen
- Mitarbeiter: Gesamt 89, davon 8 Auszubildende im GaLaBau, 2 Ingenieure als Leitung, 4 Bürosachbearbeiter, 5 Landmaschinenmechaniker; 6 Meister, 52 Facharbeiter, 12 angelernte Mitarbeiter.
- Fuhrpark/Maschinen: ca. 1.000 Maschinen und Kleingeräte, davon über 150 zulassungspflichtige Fahrzeuge und Anhänger, vom Kommunalschlepper über Geräteträger, Großflächenmäher (inkl. gepanzerter Großschlepper), Fahrzeuge vom E-Transporter bis zum 40 t Hakenlift-Lkw, Groß-und Kleinkehrmaschinen, Sportplatz-Pflege und Renovationsmaschinen, diverse handgeführte Geräte; Spezialmaschinen für Wegebau- und Unterhaltung (Wegebaufräse, Laderaupe, Walzenzug, Grader, 8 Bagger von 2,5 bis 12 t), 4 funkferngesteuerte Mähraupen, 6 Mähroboter, 5 Funkseilwinden, 1 Raupensteiger 30 m, 1 Lkw-Steiger 30 m.
- Branchensoftware: Bundeswehr-spezifische Software von SAP und GIS-Software, selbst entwickelte App-Anwendungen für Baumkataster, Pflegepläne und naturschutzfachliche Grundlagenerfassung.
Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Münster Josefine-Mauser-Str. 51 48157 Münster Telefon +49 (0)251/13 33 98-0 BwDLZMuenster@bundeswehr.orgwww.bundeswehr.de









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