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Interview mit Sebastian Breuing

Der Rasenflüsterer des DFB

Sebastian Breuing sorgt dafür, dass Deutschlands Topspielerinnen und -spieler auf bestmöglichem Rasen trainieren können. Im Gespräch mit FM erzählt der „Koordinator Greenkeeping“ beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), wie Leidenschaft Sprachbarrieren überwindet, warum Nachhaltigkeit auf dem Platz beginnt und was die Branche tun muss, um Nachwuchs zu gewinnen.

von Susanne Wannags erschienen am 13.12.2025
Sebastian Breuing sorgt für Top-Rasenqualität auf den Trainingsplätzen des DFB-Campus. © Sebastian Breuing
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Zur Person
Sebastian Breuing
Nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner bildete sich Sebastian Breuing 2005 zum staatlich geprüften Greenkeeper weiter, 2016 folgte der qualifizierte Sportplatzprüfer. Von 2006 bis 2014 leitete er als Head Greenkeeper die Rasenabteilung des VfL Bochum 1848. Von 2014 bis 2021 baute er die Rasenabteilung beim SV Werder Bremen auf und wechselte 2022 als Koordinator Greenkeeping zum Deutschen Fußball-Bund an den DFB-Campus in Frankfurt am Main.
Sie sind seit 2022 „Koordinator Greenkeeping“ auf dem DFB-Campus in Frankfurt. Was sind dort Ihre Aufgaben? Ich bin tatsächlich der erste festangestellte Greenkeeper beim DFB. 2022 wurde der DFB-Campus eröffnet. Zum Campus gehören drei Naturrasenflächen, eine Fußballhalle und weitere Trainingsflächen. Das heißt, ich kann viele Inhalte meiner Arbeit selbst mitdefinieren. Dazu gehört, die Pflege der Plätze am DFB-Campus zu koordinieren. Gepflegt werden die Flächen von der Firma Heiler, die die Sportplätze auch gebaut hat. Ich bin das Bindeglied zwischen dem Teammanagement, den Mannschaften und dem Dienstleister. Ich muss beispielsweise sicherstellen, dass für die Rasenpflege ausreichende Zeitfenster zur Verfügung stehen, damit die Greenkeeper den Sportlern das beste Produkt mit dem größtmöglichen Präventivschutz zur Verfügung stellen können, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Hier trainieren immerhin die besten Spielerinnen und Spieler Deutschlands. Außerdem gehört zu meinen Aufgaben, das Greenkeeping zu promoten und zu zeigen, welchen Wert fachkundige Rasenpflege hat. Und ich stehe Vereinen und Kommunen im In- und Ausland mit Rat und Tat zur Seite, wenn sie etwas zur Rasenpflege wissen möchten. Bevor Sie zum DFB kamen, waren Sie acht Jahre Head Greenkeeper beim SV Werder Bremen. Welche Unterschiede erleben Sie zwischen der Arbeit für einen Bundesligaklub und einem Verband? In der Bundesliga hat man als Greenkeeper den 1:1-Schlagabtausch. Man verfolgt die Spiele, weiß, wo die Mannschaft steht, und sorgt während der Saison dafür, dass die Rasenflächen im Heimstadion in einem Top-Zustand sind. Man ist eigentlich ständig in Bereitschaft. Ein Erlebnis, das mir den Unterschied zwischen Greenkeeping beim DFB und in der Bundesliga drastisch vor Augen geführt hat, war die Heim-EM 2024. Damals hat die Nationalmannschaft am adidas-Campus in Herzogenaurach trainiert. Vor dem Viertelfinale haben wir unser Bestes gegeben, damit der Platz der Mannschaft anschließend wieder beste Bedingungen bietet. Dann scheidet die Nationalmannschaft in Stuttgart gegen Spanien aus, und du weißt: Da kommt morgen keiner mehr auf den Platz zum Trainieren – du kannst jetzt deine Sachen packen und nach Hause fahren. Sie haben gerade geschildert, wie unterschiedlich die Abläufe im Profifußball und beim DFB sein können. Gleichzeitig beraten Sie auch Vereine und Kommunen im In- und Ausland. Gab es dafür schon konkrete Anfragen? Ja, beispielsweise aus der Slowakei. Dort fand die Endrunde der UEFA U-21-Europameisterschaft in diesem Jahr statt. Ich hatte Kontakte zum Teammanagement aufgebaut, und wir haben uns vorab einige Plätze angeschaut. Einer davon war im Februar noch eine gefrorene, wilde Wiese, und wir hatten keine Idee, wie daraus ein U-21-würdiger Sportplatz werden sollte. Es gab keine Beregnung, keine Narbendichte, keine vernünftige Bestockung der Gräser, keinen Deckungsgrad – nichts.
„Die Leidenschaft für Greenkeeping überwindet jede Sprachbarriere.“ Sebastian Breuing
Wir haben vor Ort viele Gespräche geführt und mit den slowakischen Greenkeepern ein Konzept erstellt, um die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Das Tolle war, dass die Verantwortlichen dort nicht nur genickt und dann nichts getan haben. Es war so, dass alle – vom Bürgermeister der Stadt über den Präsidenten des Vereins bis zum Pflegepersonal – sich dafür eingesetzt haben, dass aus der Wiese ein richtig schöner Sportplatz wird. Und das, obwohl dort niemand Deutsch oder Englisch spricht und wir der slowakischen Sprache nicht mächtig sind. Mit Google-Translator und der Liebe zum Rasen hat das funktioniert – das zeigt, wie die Leidenschaft für Greenkeeping auch Sprachbarrieren überwindet. Die U-21-Nationalspieler haben sich nach dem Training sogar dafür bedankt, dass man auf dem Platz so gut spielen konnte.
Hat sich der Platz in der Slowakei nach dem Turnier weiterentwickelt? Wird er inzwischen dauerhaft gepflegt? Ja, es gibt dort jetzt sogar einen Spindelmäher – nicht das neueste Modell, aber funktionsfähig. Es gibt ein Liniergerät, und die Kollegen wissen, was man mit der richtigen Beregnung erreichen kann. Das funktioniert aber nur, wenn man sich nicht als derjenige hinstellt, der alles besser weiß, sondern das gemeinsam mit dem Team erarbeitet. Das geht nicht per Mail mit einer Pflegeanleitung, sondern nur im persönlichen Kontakt. Das Beispiel zeigt, wie viel mit Engagement möglich ist und was sich auch ohne großes Budget erreichen lässt. Welche drei grundlegenden Tipps würden Sie jemandem geben, der in einer kleinen Gemeinde vielleicht sogar ehrenamtlich einen Platz pflegt? Zunächst einmal: zum richtigen Zeitpunkt beregnen – und zwar am Welkepunkt der Pflanzen. Also nicht nach einem festen Zeitplan, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf. Dabei kann durchaus etwas weniger gewässert werden als eigentlich nötig, damit die Wurzeln gezwungen sind, in die tieferen Bodenschichten zu wachsen. Damit lassen sich beispielsweise die Belastungsstunden des Platzes erhöhen.
„Viele Greenkeeper und Platzwarte machen einen großartigen Job – das sollte man viel öfter würdigen.“ Sebastian Breuing
Außerdem muss Rasen gedüngt werden. Ein Mindestmaß an Nährstoffversorgung ist wichtig, das muss auch gar nicht das teuerste Profiprodukt sein. Auf eine längere Wanderung nimmt man ja auch nicht nur einen Liter Wasser mit, sondern auch etwas zu essen. Zu guter Letzt ist der regelmäßige Schnitt wichtig, da sonst keine Bestockung erfolgt und die Grasnarbe nicht dicht wird – idealerweise natürlich mit scharfen Messern. An dieser Stelle möchte ich aber mal klarmachen, dass viele Greenkeeper und Platzwarte, egal ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, einen großartigen Job machen. Das sollte man viel häufiger mal würdigen und nicht nur Defizite ansprechen.
Abseits der kommunalen Ebene: Der DFB hat vor allem organisatorische Aufgaben – Nationalmannschaften, Wettbewerbe wie den DFB-Pokal, Nachwuchsförderung. Welche Rolle spielte Greenkeeping im Verband, als Sie 2022 dort anfingen? Als ich anfing, hatte ich das Vergnügen, den Kolleginnen und Kollegen im Verband erste Einblicke in das Greenkeeping zu geben und den Mehrwert von professioneller Rasenpflege sowohl zu erklären als auch erlebbar zu machen. Ich denke, der eine oder die andere sieht heute einen Sportplatz mit anderen Augen. Aufzuzeigen, was Greenkeeping nicht nur für den Rasen, sondern auch für die Sicherheit und Attraktivität des Sports leistet, sehe ich als wichtigen Teil meiner Arbeit. Jeder Kreuzbandriss, der vermieden wird, weil der Platz eben und gut bespielbar ist, ist ein Erfolg. Nachhaltigkeit ist im Sport ein großes Thema. Was gehört aus Ihrer Sicht unbedingt zu einer ressourcenschonenden Rasenpflege dazu? Die richtige Bewässerung ist ein wichtiger Punkt – also wie oben schon angesprochen nicht nach einem Zeitplan, sondern am Welkepunkt der Pflanzen. Und lieber etwas zu wenig als zu viel. Dazu gehört beispielsweise auch, die Regner so einzustellen, dass tatsächlich nur das Spielfeld bewässert wird. Auch wenn eine Fachfirma das irgendwann einmal eingebaut hat, sollte man immer wieder prüfen, ob alles noch stimmt. Nachhaltig ist es auch, wenn man es schafft, die Mannschaften zu überzeugen, nicht unbedingt bei jeder Witterung zu trainieren, damit der Platz keinen Schaden nimmt. Damit macht man sich natürlich nicht nur Freunde. Aber ein gutes „Produkt“, also ein gesunder Rasen, erhöht letztlich den Spielspaß.
Zum DFB-Campus gehören drei Naturrasenflächen, eine Fußballhalle und weitere Trainingsflächen.
Zum DFB-Campus gehören drei Naturrasenflächen, eine Fußballhalle und weitere Trainingsflächen. © Sebastian Breuing
Immer wieder wird über Naturrasen, Hybridrasen oder Kunststoffrasen diskutiert. Wie ist Ihre Haltung zu diesen unterschiedlichen Systemen? Naturrasen oder auch Hybridrasen, der immerhin über 90 % aus Naturrasen besteht, wird meiner Ansicht nach immer ein Premiumprodukt bleiben. Das bleibt hoffentlich auch so, solange ich als Greenkeeper arbeite – ich möchte meine Zeit ungern damit verbringen, Kunstrasen zu bürsten. Allerdings ist auch Hybridrasen nicht unendlich belastbar, er unterliegt ja durch den hohen Naturrasenanteil auch jahreszeitlichen Schwankungen. Letztlich kommt es immer auf die jeweiligen Umstände an. Wenn in einem Sportverein das Spielfeld ganzjährig für verschiedenste Nutzer bespielbar sein soll, kann in diesem Fall Kunststoffrasen sinnvoll sein. Allerdings darf man nicht der Illusion erliegen, dass das Feld nicht gepflegt werden muss – im Gegenteil. Damit ein Kunststoffrasen lange funktionsfähig bleibt, ist ein hoher Pflegeaufwand notwendig. Daher habe ich keine Bedenken, dass in jeder Gemeinde nun nach und nach der Naturrasen verschwindet. Der Fachkräftemangel betrifft auch das Greenkeeping. Was müsste passieren, um mehr Menschen für die Sportrasenpflege zu begeistern? Ich finde es wichtig, dass wir dem Beruf ein wenig mehr Sexappeal verleihen. Warum zum Beispiel wird der Pitch of the Year, also der Preis für herausragende Rasenqualität in der Bundesliga und der zweiten Liga, nicht in den Gewinnerstadien am Ende der Saison verliehen? So würde man Tausende von Zuschauern erreichen, und vielleicht ist da der eine oder die andere dabei, der so auf den Greenkeeper-Beruf aufmerksam wird.
„Wir müssen dem Greenkeeping mehr Sexappeal verleihen.“ Sebastian Breuing
Wir müssen zeigen, wie elementar wichtig Greenkeeping ist. Und wir müssen Leute im Greenkeeping auch groß werden lassen. Das betrifft nicht nur den Nachwuchs, sondern ebenso ältere Mitarbeitende. Wie können wir es schaffen, dass sich beispielsweise Ehrenamtliche trauen, einen Platzarbeiter-Kurs zu machen und dann durchzustarten? Denn sicher ist: Es gibt in diesem Beruf jede Menge Möglichkeiten. Gute Leute werden immer gesucht. In Ihrer eigenen Berufslaufbahn gab es jede Menge Premieren: Sie waren beim VfL Bochum der jüngste Greenkeeper in der Bundesliga. Sie haben beim SV Werder Bremen die erste eigene Greenkeeping-Abteilung aufgebaut und sind nun der erste Koordinator Greenkeeping beim DFB. Woran erinnern Sie sich denn besonders gern? Mein schönstes Erlebnis war gleichzeitig auch mein traurigstes: der Abschied vom SV Werder Bremen. Dort gibt es ein Schiebetor, das das Stadion von der Außenwelt trennt. An meinem letzten Tag hatten wir alle Tränen in den Augen. Ich bin durch das Tor gegangen, habe mich nochmal umgedreht und gesehen, was wir alle gemeinsam in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Das war trotz allem Abschiedsschmerz ein wirklich schöner Augenblick.
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