
Rasensortiment folgt dem Klimawandel
Der Klimawandel macht sich auch dadurch bemerkbar, dass Pflanzen, die hier angepasst waren, den extremen Bedingungen weniger standhalten, dafür andere einwandern. Das gilt auch für Gräser. Zudem forschen Wissenschaftler und Industrie an Arten und Mischungen, die für verschiedene Anwendungen funktionieren. Ein Blick auf die Veränderungen im Rasensegment.
von Prof. Martin Bocksch erschienen am 19.11.2025Die Rasengräser, die unsere Rasenflächen bilden, in erster Linie das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne), die Wiesenrispe (Poa pratensis) und der Rotschwingel (Festuca rubra spp.), brauchen viel Licht. Nur dann bestocken sie sich artgerecht und bilden dichte, regenerative und funktionierende Rasennarben. Ohne direktes Sonnenlicht, im Schatten, werden Rasenflächen lückig, die Narbe dünn und locker, die Einzelpflanzen bestocken sich nicht, also bilden keine Seitentriebe, sondern versuchen mit dem Haupttrieb rasch nach oben dem Licht entgegenzuwachsen. Unser Mähen macht diesen Versuchen ein Ende.
Wenn die Gräser den Lebensraum jedoch nicht nutzen, dann tun das andere Pflanzen. Moose sind viel bescheidener und kommen mit einem Bruchteil des Lichtes aus. Auch Algen mögen das beschriebene Gesamtpaket aus weniger Licht und mehr Feuchtigkeit. Es gibt auch Gräser, die besser damit zurechtkommen als unsere Rasengräser, zum Beispiel die Gemeine Rispe (Poa trivialis) oder die Jährige Rispe (Poa annua), nur sehen die in der Regel nicht so gut aus und ergeben nicht die schönen, homogenen Rasennarben, die wir erwarten.
Entdeckung Lägerrispe
Doch es gibt Ausnahmen. Eine solche Entdeckung ist die Grasart Lägerrispe (Poa supina). Die Lägerrispe ist eine Grasart der alpinen und subalpinen Hochlagen. Sie bedeckt selten weite Flächen, sondern ist eher begrenzt auf sehr spezielle Areale – die Viehlägerplätze, woher auch ihr Name kommt. Durch den starken Betritt des Alm- und Weideviehs ist der Boden verdichtet. Dadurch vernässen diese Flächen oberflächlich. Der Boden wird weich und umso mehr zertreten. Während das Vieh dort steht, wird der Boden durch Exkremente mit Nährstoffen angereichert.
Wir haben also einen kühlen Standort mit viel Feuchtigkeit und Nährstoffen, einer relativ kurzen Vegetationsperiode und einer starken mechanischen Beeinträchtigung der Pflanzen. Von Schatten ist hier zwar nicht die Rede, aber wer die Bedingungen solcher Weiden in den Hochlagen kennt, die meisten sind ja noch unter der Baumgrenze, der findet auch diesen Aspekt immer wieder.
Unter solchen Bedingungen hat sich ein kleines Gras entwickelt. Es bleibt niedrig, bildet wenig Wurzeln und verbreitet sich sowohl generativ über Samen als auch über eine starke Ausläuferbildung – unter- und oberirdisch. Letztere führt zu einem sehr dichten Wuchs, der alle anderen Gräser und Unkräuter verdrängt und auch unter schattigen Bedingungen noch dichte Narben bildet. Die Lägerrispe ist sehr winterhart, aber anfällig gegenüber Trockenheit und Hitze. Im Gegensatz zur nicht unähnlichen Jährigen Rispe (Poa annua) blüht sie nur einmal früh im Jahr mit dunkleren Blütenständen.
Züchtung, Verwendung und Verfügbarkeit
In den 60er Jahren wurde das Potenzial dieser Art als Rasengras erkannt. Züchtung und Vermehrung blieben jedoch aufgrund der geringen Größe der Pflanze schwierig. So pflanzte man 1972 nach Beendigung der Olympischen Spiele im Münchener Olympia-stadion zur Regeneration der Rasennarbe diese Art in den Torräumen nach.
Aktuell gibt es zwei zugelassene Sorten und eine deutsche Produktion bei der Saatzucht Steinach. Da die Ernte jedoch sehr schwierig und das Saatgut teuer ist, wird es nur in Mischungen vermarktet. In der Regel enthalten diese nur wenige Prozente Lägerrispe, aber über die Jahre setzt sich die Art unter geeigneten Bedingungen (viel Stickstoffdünger und viel Feuchtigkeit bei mechanischer Belastung) durch.
Eine weitere Verbreitung erfährt die Art durch den Fertigrasenanbau. Mischungen zur Anzucht des vielfach als „Schattenrasen“ vertriebenen Fertigrasens, „Gebrauchsrasen mit Lägerrispe“ nach TL Fertigrasen, erfreuen sich bei Herstellern und Kunden großer Beliebtheit. Sie enthalten höhere Anteile Lägerrispe, und nach zwei Jahren besteht die Narbe in der Regel zu 100 % aus dieser Art.

Aufgrund des niedrigen und dichten Wuchses sowie ihrer Gesundheit und Unkrautver-drängung findet die Lägerrispe in Gebrauchsrasen Verwendung. Solche Flächen können jederzeit genutzt und auch strapaziert werden. Mit ihrer hellen Farbe kann sie dazu beitragen, Pflanzen der Jährigen Rispe (Poa annua) zu „maskieren“.
- Wuchsform: niedrige, kleine Pflanze mit unter- und oberirdischen Ausläufern
- Jüngstes Blatt: gefaltet
- Blatt: breiter; Ober- und Unterseite sind matt und unbehaart, wie die ganze Pflanze
- Blattfarbe: hell, gelbgrün
- Blattgrund: kurzes, helles Häutchen, keine Öhrchen
- Blüte: im zeitigen Frühjahr; Rispen mit violett-rot überlaufenen Spelzen, niedrig, nicht höher als 10 bis 14 cm
- Saatgewicht: 1 g Saatgut = circa 6.500 Samen.
Lägerrispe auf Sportrasenflächen?
Wegen ihrer guten Trittstabilität und Regenerationsfähigkeit ist die Art auch für Sport- und echte Strapazierrasenflächen empfohlen worden. Die Realität hat jedoch immer wieder Probleme erkennen lassen. Im Frühjahr startet das Gras rasch und bildet danach bis in den Sommer hinein dichte, sich schnell regenerierende Rasenflächen. Die Probleme zeigen sich erst im Frühherbst, wenn in den Hochlagen die Vegetationsperiode zu Ende geht. Die Pflanzen gehen in eine ausgeprägte Winterruhe über, die sie auch in Jahren ohne Winter und in tieferen Lagen einhalten.
Es werden weder weitere Ausläufer noch Wurzeln gebildet. Im Gegenteil – der Wurzeltiefgang nimmt ab. Werden solche Flächen im September/Oktober mit Stollenschuhen genutzt, fliegen die Narbenstücke, weil sie nicht mehr richtig im Boden verankert sind. Da auch keine Regeneration mehr erfolgt, sehen die Flächen sofort und unmittelbar sehr schlecht aus und lassen sich auch nicht mehr reparieren. Daher sollte man auf Fußball- und anderen Sportplätzen auf die Lägerrispe verzichten.

Sonne und Trockenheit zwei Paar Schuhe
Sonne, Hitze, Trockenheit – unter diesen Bedingungen bekommen unsere „großen drei“ Rasengräser – das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne), die Wiesenrispe (Poa pratensis) und auch der recht trockenheitsverträgliche Rotschwingel (Festuca rubra spp.) ihre Grenzen aufgezeigt. Für ein Gras sind Hitze und Trockenheit aber zwei ganz unterschiedliche Dinge. Trockenheit vertragen die großen Rasenarten eigentlich ohne viele Probleme oft wochenlang. Das war gut zu sehen gewesen in diesem Frühjahr, wo es wochenlang nicht mehr geregnet hat, Schäden an den Rasenflächen wurden nirgends gemeldet.
Für die Gräser ist die Hitze das Problem. Ab 42 °C fangen in den Blattzellen erste Eiweiße an zu denaturieren. Im Prinzip passiert etwas, das dem Vorgang, wenn wir ein Ei in einer heißen Pfanne aufschlagen, ziemlich vergleichbar ist. Auch hier verändert sich das Eiweiß unmittelbar. Gerade noch klar und flüssig – dann weiß und fest. Und dieser Prozess ist nicht umkehrbar.
Im Blatt sind es zunächst einzelne Moleküle, dann hier und da eine Zelle, schließlich sterben ganze Bereiche ab und am Schluss ist die Pflanze tot. Ganze Rasenflächen können so innerhalb weniger Stunden für immer verloren gehen. Wie groß der Schaden ist, hängt einerseits von den Gräsern, andererseits von der Lage, der Sonneneinstrahlung und dem Wassergehalt im Boden ab. Sommer wie der 2003 oder die Jahre 2018 bis 2022 haben hier teilweise zu hohen Schäden geführt.
Einfach nur noch mehr zu bewässern, ist für viele sowieso keine Lösung. Spätestens wenn von Seiten der Kommunen und Gemeinden das Bewässern von Rasenflächen untersagt wird, merkt man, dass man hier zu kurz gesprungen ist. Und auch für dieses Extrem gibt es eine Option, wenn auch eine mit einigen Hindernissen und einer „Vorgeschichte“.
Hype um den Rohrschwingel
Der Rohrschwingel (Festuca arundinacea) ist ein grobes, ausdauerndes und robustes, Horste bildendes Obergras der wechselfeuchten Lagen. Mit seinen breiten, groben Blättern – die nicht jedem sofort gefallen – hat er bei uns bisher insbesondere in Gebrauchsrasenmischungen und auf Rennbahnen (Pferde und Speedway) Verwendung gefunden. Wegen seines Wurzelwerks wird er auch als Bodenfestiger verwendet. Was die Art jedoch interessant macht, ist ihre gute Trockenheitstoleranz. Nur deshalb beschäftigt sich die Rasengräserzüchtung intensiv mit diesem Gras.
Nach dem ersten Extremsommer hierzulande 2003 gab es einen regelrechten Hype um die Art. Die Vermehrung in den USA und in Europa wurde angekurbelt. Jeder hat Mischungen damit auf den Markt gebracht, meist mit amerikanischen, dunklen Sorten. Dabei sind einige Fehler gemacht worden.
Heute wissen wir, dass Rohrschwingel nur dann schöne, homogene Narben bildet, wenn die Art mit hohen Mischungsanteilen von mindestens 70 % ausgesät wird. Sonst bilden sich gewaltige Einzelhorste und der Obergras-Charakter kommt zutage. Rohrschwingel ist nur dann ausdauernd, wenn er nicht zu tief gemäht und entsprechend seinen Bedürfnissen mit Nährstoffen versorgt wird. So rasch wie das Gras hochgepuscht wurde, so schnell fiel es anschließend in ein „Loch“.
Zahl der Sorten hat Aussagekraft
Diese Entwicklung lässt sich sehr gut an der Zahl der eingetragenen Sorten von Rohrschwingel für Rasennutzung beim Bundessortenamt ablesen. Waren es 1994 gerade einmal fünf Sorten mit einer eher bescheidenen Note 5 (1 ist sehr schlecht – 9 ist sehr gut) in der Gebrauchsrasenprüfung, explodierte ihre Anzahl nach dem besagten Sommer in der Liste von 2004 geradezu. 15 Sorten und die auch mit besseren Noten, immerhin schon 10-mal die Note 6, waren beeindruckend. Aber aufgrund der geschilderten schlechten Erfahrungen, die auf fehlendem Wissen hierzulande zurückzuführen waren, gingen das Interesse an der Art und in der Folge die Sortenanmeldungen wieder zurück. 2019 waren wir in der Ausgangsposition – bei fünf Sorten angekommen, aber immerhin nochmals verbessert. Eine Sorte hatte nun sogar bereits die Note 7 für die Gebrauchsrasenprüfung erhalten.
… eingetragen in der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamts – Rasengräser:
- 1994: 5 Sorten alle mit Note 5 *Gebrauchsrasenprüfung
- 2004: 15 Sorten – 5 × Note 5*; 10 × Note 6*
- 2019: 5 Sorten – 4 × Note 6*; 1 × Note 7*
- 2025: 8 Sorten – 2 × Note 6*; 4 × Note 7*; 2 × Note 8*
*Note nach Gebrauchsrasenprüfung. Das BSA prüft Rohrschwingel aber auch auf Strapazierraseneignung.
Gerade in den Folgejahren nach 2019, die besonders trocken waren, stieg das Interesse europaweit wieder an, was intensive Züchtungs- und Forschungsarbeit in Europa und den USA zur Folge hatte. Daraus sind in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse zum Umgang mit Rohrschwingelrasenflächen zusammengetragen worden. Heute erhalten alle Kunden brauchbare und gute Pflegehinweise, damit die Rohrschwingelrasen schön, dicht und langlebig sind. Aber auch einige gute neue Sorten sind so entstanden, sowohl für die Rasennutzung (siehe Übersicht) als auch für den Futterbau. Die sind feinblättriger, weicher und heller. Und auch die Rasenqualität hat dadurch noch einmal einen Sprung nach oben gemacht – sind nun bereits die ersten zwei Sorten mit der Gesamtnote 8 geprüft.
Nun bleibt abzuwarten, ob die tiefreichende Wurzel erhalten geblieben ist. Es gibt Hinweise, dass die beiden Parameter „Blattfeinheit“ und „Wurzeltiefgang“ genetisch gekoppelt sind. Allgemein wird dem Rohrschwingel eine Wurzeltiefe bis 1,5 m attestiert. In manchen Infos wird sogar von 2 m gesprochen.
Wurzeltiefe großer Vorteil
Daraus zieht die Art ihren großen Nutzen. Denn die Bewässerung von öffentlichen und privaten Rasenflächen bei frühsommerlicher und sommerlicher Trockenheit wird immer problematischer. Rohrschwingel verdunstet im Sommer nicht weniger Wasser als beispielsweise Deutsches Weidelgras oder Wiesenrispe. Er ist jedoch mit seinen Wurzeln in der Lage, sich aus tieferen Bodenschichten zu versorgen, die länger feucht sind. Für andere mitteleuropäische Rasengräser sind diese mit maximalen Wurzeltiefen von 50 bis 60 cm absolut unerreichbar. Rohrschwingel hat seinen festen Platz in Trockenrasenmischungen wie der Regel-Saatgut-Mischung 2.2 Var. 2, aber auch hier nun mit mindestens 70 Gew.-%-Anteil.
Gleiches ist ebenfalls im Fertigrasenanbau zu beobachten. Immer mehr Produzenten steigen, wenn auch vorsichtig, nach den Erlebnissen nach 2003, wieder in den Anbau von „Gebrauchsrasen mit Rohrschwingel“ ein. So erstaunlich es klingt: Obwohl bei der Fertigrasenproduktion die Wurzeln zur Ernte abgeschnitten werden müssen, regenerieren sich diese rasch und erreichen die alte Tiefe wieder – wenn es der Untergrund zulässt. Die Art mag tiefgründige Böden.
Rohrschwingel treibt bereits früh im Jahr aus und ist schnittverträglich. Er zeichnet sich durch einen guten Blattnachwuchs nach dem Schnitt aus, ist aber gegenüber tiefem Schnitt (4 cm und tiefer) empfindlich. Es hat sich gezeigt, dass Rohrschwingel nur bedingt trittfest und strapazierfähig ist. Seine dunkle Winterfarbe erhält sich nur nach einer Stickstoffdüngung im Spätherbst. Die Art ist dankbar für Nährstoffgaben und hat einen etwas höheren Nährstoffbedarf, vergleichbar der Lägerrispe.
- Wuchsform: Horstgras
- Jüngstes Blatt: gerollt
- Blatt: 4 bis 12 mm breit mit deutlichen Riefen, Blattrand mit Sägezähnchen, neuere Sorten sind feiner und die Sägezähnchen reduziert
- Blattfarbe: mittel-dunkelgrün, neuere Sorten oft heller
- Blattgrund: Öhrchen – groß und deutlich sichtbar, kurz bewimpert
- Blatthäutchen: kurz, derb und grün
- Keimdauer: 9 bis 16 Tage/durchschnittlich circa 14 Tage
- Saatgewicht: 1 g Saatgut = 400 bis 500 Samen.
Wenn Extreme zunehmen, dann geht das zulasten der Gemäßigten, der Mitte – in unserem Fall des Anteils von Saatgutmischungen der bisher gebräuchlichsten Ansaatmischung RSM 2.3 Gebrauchsrasen – Spielrasen sowie beim Fertigrasen zulasten des klassischen Gebrauchsrasens – Standard nach TL Fertigrasen. Wohlgemerkt zulasten dieser beiden – sie sind nicht verschwunden, sie sind immer noch die meistverkauften Mischungen, aber ihr Anteil nimmt spürbar ab.
Standard, das bedeutet unsere großen drei Europäischen Rasengräser: Deutsches Weidelgras, Wiesenrispe und Rotschwingel. Alle drei sind nicht für die geschilderten Extremsituationen ausgestattet. Sie mögen das „normale“ mitteleuropäische, maritim geprägte Wetter unserer Breiten. Daran haben sie sich gewöhnt. Die zu beobachtenden Veränderungen gehen zu schnell für Anpassungen. Andere Gräser, die besser an die beschriebenen Extreme angepasst sind, schließen diese Lücken. Weitere Gräser, insbesondere tropische Arten, stehen bereits „vor der Tür“ und kommen auch Deutschland immer näher.
Hatten früher eigentlich alle Fertigrasenhersteller ausschließlich den klassischen Gebrauchsrasen-Standard, sind heute zwei verschiedene Rasentypen die Regel geworden. Meist ist es der Gebrauchsrasen mit Lägerrispe, der als Schattenrasen vermarktet wird. Zuletzt haben immer mehr Erzeuger aber auch wieder Versuche mit Rohrschwingel gestartet – und alles, was man hört, ist eigentlich positiv. Mittlerweile gibt es erste Betriebe, die ganz auf den Klassiker verzichten und nur auf Lägerrispe und Sportrasen und in absehbarer Zukunft vielleicht auch den Rohrschwingel setzen.















Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.