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Ohne Samen keine Bäume

Vom Baumpfleger zum Zapfenpflücker

Baumpfleger können mehr: Tim Schröder und Anders Vinther gehen im Spätsommer einer besonderen Aufgabe nach – dem Zapfenpflücken, eine wesentliche Grundlage für den Waldumbau in Niedersachen und in anderen Bundesländern.

von Carl Hesebeck erschienen am 03.02.2025
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Auf dem Weg in die Krone: Tim Schröder nutzt einen Akkuschrauber als Unterstützung für den Aufstieg in die Küstentanne.
Auf dem Weg in die Krone: Tim Schröder nutzt einen Akkuschrauber als Unterstützung für den Aufstieg in die Küstentanne. © Carl Hesebeck
Baumkletterer Tim Schröder (r.) und Anders Vinther (l.) gemeinsam mit Saatguthändler Josef Schlör.
Baumkletterer Tim Schröder (r.) und Anders Vinther (l.) gemeinsam mit Saatguthändler Josef Schlör. © Carl Hesebeck

Ende August 2022 waren Tim Schröder und Anders Vinther in den teilweise mehr als 40 m hohen Kronen eines Küstentannenbestandes bei Ankum im Westen Niedersachsens anzutreffen. Mithilfe der Seilklettertechnik ernteten sie dort die Zapfen der ursprünglich aus Nordamerika stammenden Nadelholzbaumart – keine leichte Aufgabe. „Je nach Bestand schaffen wir pro Tag und Person etwa fünf Bäume. Die Arbeit läuft im Akkord, aber davon lassen wir uns nicht treiben. Die Sicherheit geht vor“, erklärt Tim Schröder.

Ursprünglich stammt der Baumpfleger aus dem nicht weit entfernten Lotte-Wersen, mittlerweile lebt Schröder in Hamburg und kümmert sich dort mit einer eigenen Firma um die Bäume der Hansestadt. Gemeinsam mit dem Dänen Anders Vinther bereitete er sich an einem Samstagmorgen auf den Aufstieg vor, die Bäume für die Saatguternte hatten sie schon am Tag zuvor ausgewählt. Die Nacht haben sie im Wohnmobil im Wald verbracht, die kommenden Arbeitstage sind lang und enden erst in den späten Abendstunden.

Saatgutbestand im Voraus beurteilt

Längst nicht jeder Bestand ist für die Saatguternte geeignet, unabhängig von der Baumart. Voraussetzung ist eine Zulassung als Saatgutbestand, die nach entsprechender Eignung durch das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erfolgt. „Vor Ort wird der jeweilige Bestand genau unter die Lupe genommen. Im Fokus stehen unter anderem die Wüchsigkeit und die Qualität der Bäume, etwa im Hinblick auf gerade Schäfte und Feinastigkeit“, erklärt Steffen Themann, der die Bezirksförsterei Ankum der Landwirtschaftskammer Niedersachsen leitet und die Saatguternte in der Küstentanne gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Wiemer vom Forstamt Weser-Ems fachlich begleitet.

Die Zulassung zum Saatgutbestand hat vor einigen Jahren noch Themanns Vorgänger Gerd Holzgräfe in die Wege geleitet und eine erste Ernte durchführen lassen. Auch in diesem Jahr hat Holzgräfe noch vor seinem Ruhestand den Behang der Küstentannen mit Zapfen eingeschätzt und schließlich die Ernte noch in die Wege geleitet. „Die Küstentanne ist eine schnellwüchsige Baumart, das macht sie für Waldbesitzer durchaus interessant. Auf passenden Standorten kann sie ihre enorme Wuchskraft gut ausspielen“, erklärt Themann. In dem Saatgutbestand steht auch die stärkste Küstentanne des Bezirks, in Brusthöhe hat sie einen Durchmesser von 115 cm – dabei sind die Bäume erst 1961 gepflanzt worden.

Für Tim Schröder und Anders Vinther begann die schweißtreibende Arbeit schon mit dem Aufstieg in die Krone. Die charakteristischen kleinen Harzgallen der Küstentanne auf der Rinde hinterließen schnell ihre Spuren auf der Kleidung der Zapfenpflücker. In den Wipfeln waren die Männer der Sonneneinstrahlung stärker ausgesetzt, genau hier ernteten sie die Zapfen. Vorher aber wurden mehrere Zapfen aufgeschnitten – enthalten sie keine oder nur wenige Samen, ist die Arbeit umsonst und der nächste Baum muss aufgesucht werden. „Es sollten mindestens 50 % Samen je Zapfen enthalten sein. Angeschnitten sehen die Samen etwa so aus wie ein kleines Reiskorn“, erklärt Tim Schröder. Das entspreche etwa 35 bis 40 Samen pro Zapfen.

Die Zapfen der ersten Bäume in Ankum waren taub, enthielten also keine Samen. Später waren Schröder und Vinther erfolgreicher, konnten die mitgeführten Säcke nach und nach mit Zapfen füllen. Ein voller Sack wiegt etwa 20 bis 30 kg und wird nach einem Warnruf zu Boden fallen gelassen. Bezahlt werden die beiden Baumkletterer im Akkord, in diesem Fall nach dem Gewicht der Zapfen. Für Fehlstiege, etwa wenn die Zapfen taub sind, gibt es eine Entschädigung. Wenn es gut läuft, ernten erfahrene Zapfenpflücker etwa 150 bis 200 kg pro Tag.

Trotz aller Mühen: „Die Arbeit im Wald entspannt, abends sitzen wir gemeinsam draußen“, erzählt Tim Schröder. Davor aber müssen die Säcke mit den Zapfen in eine Halle gebracht und dort entleert werden. Die dichte Lagerung in den Behältern würde sich sonst negativ auf die Qualität des Saatgutes auswirken. Nach dreieinhalb Tagen haben Schröder und Vinther schließlich knapp 1.260 kg geerntet – das Saatgut stammt von 45 Bäumen. Für jeden dieser Bäume wird eine Probe aus zwei Zapfen hinterlegt.

Absacken ist Teamarbeit.
Absacken ist Teamarbeit. © Carl Hesebeck

Abnehmer des Saatguts ist Josef Schlör, der mit Wald- und Gehölzsamen handelt und im Jahr etwa 200 t Saatgut unterschiedlicher Baum- und Gehölzarten umsetzt. Bei der Abnahme in Ankum waren auch wieder Andreas Wiemer als Saatgutbeauftragter und Bezirksförster Steffen Themann mit dabei. Die Ernte wurde erneut gewogen und in Säcken zu je 25 kg abgefüllt. Dabei arbeiteten Händler, Zapfenpflücker und Förster Hand in Hand.

Als Saatgutbeauftragter hat Andreas Wiemer die Ernte in der Küstentanne nicht nur beim Ministerium angemeldet, er füllt vor Ort auch das sogenannte Stammzertifikat aus. Darin werden nicht nur Land und Herkunftsgebiet des Ausgangsmaterials, das Ernteverfahren und die Art des Vermehrungsgutes festgehalten, auf dem Dokument wird auch das genaue Gewicht des Saatgutes und die Anzahl der Verpackungseinheiten vermerkt. Später lässt sich durch das Stammzertifikat der gesamte Ernteablauf und vor allem auch die Herkunft des Saatgutes nachvollziehen.

Viel Aufwand, großer Nutzen

In Wertheim-Lindelbach, dem Sitz der Firma Schlör, wird das Saatgut anschließend weiter aufbereitet und an Baumschulen vermarktet. Bis die Setzlinge dann ihren Weg in die Wälder finden, verstreichen dann nochmal je nach Sortiment drei bis vier Jahre in den Pflanzbeeten der Baumschulen. Für den Waldbesitzer bleibt ein eher kleiner Auszahlungsbetrag von 1€/kg Zapfen. „Das Saatgut der Küstentanne ist momentan nicht so gefragt, deshalb ist auch der Auszahlungsbetrag nicht so hoch. Anders sieht das derzeit zum Beispiel bei Eiche und Linde aus“, erklärt Josef Schlör.

Wie wichtig die Saatguternte auch bei Baumarten mit eher geringem Erlös ist, verdeutlichen Steffen Themann und Andreas Wiemer: „Für den Waldumbau unserer Wälder in Niedersachsen brauchen wir innerhalb der Baumarten eine möglichst große Vielfalt, auch was die unterschiedlichen Herkünfte angeht. Das ist ein wichtiger Baustein, um den Wald von morgen fit für den Klimawandel zu machen“, sind sich die Förster einig. Durch die vielen durch Trockenheit und Borkenkäferbefall entstandenen Freiflächen ist der Bedarf an standortgerechten Setzlingen und damit auch entsprechendem Saatgut in den nächsten Jahren hoch – nicht nur in Niedersachsen.

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