
Saatgut oder Ansaat im zeitigen Frühjahr?
Im zeitigen Frühjahr stellt sich bei vielen Vereinen und Kommunen die Frage: Saatgut ausbringen oder Fertigrasen verlegen und so schnell für eine belastbare, neue Narbe sorgen? Oft scheitert bereits der laut geäußerte Gedanke beim Schatzmeister oder Kämmerer an den noch nicht einmal bekannten, aber vermuteten Kosten. Darum hier ein paar Fakten.
von Prof. Martin Bocksch erschienen am 04.12.2024Ein Strapazierrasen muss Scherkräften standhalten, sich schnell regenerieren, möglichst einfach zu pflegen sein und natürlich immer top aussehen. Kurz, er soll funktionieren und den Spielern stets faire, gute und gleiche Spielbedingungen bieten. Gerade nach einer langen Spielzeit, die auch in den unteren Ligen meist bis weit in den November hinein geht, ist das nicht mehr für das gesamte Spielfeld erfüllt. Aber anstatt einer Phase mit gutem Wachstum und Regeneration folgt der Winter – ganz ohne Wachstum und Regeneration.
Oftmals fehlt dazu nach der Saison auch die geordnete Nachpflege der Plätze. Verbessern wird sich die ohnehin schlechte Rasenqualität über den Winter somit nicht, sondern nimmt aufgrund von Schnee- oder Laubbedeckung, von Staunässe oder Rasenkrankheiten sogar noch ab. Und dann folgt nicht etwa der Vegetationsbeginn mit neuem Wachstum und Regeneration, sondern der Trainingsbeginn mit dem Start in die zweite Saisonhälfte, auf den geschädigten Plätzen. Also muss spätestens zum Trainings- und Spielbeginn im zeitigen Frühjahr auf den Plätzen etwas passieren: Saatgut ausbringen und damit die Flächen wieder begrünen oder Fertigrasen verlegen und so schnell für eine belastbare, neue Narbe sorgen?
Saatgut und Aussaat
Das Saatgut unserer heimischen Kaltzonenrasengräser keimt in der Regel ab Temperaturen von 10 bis 12 °C. Der Spielraum ist aber deutlich größer. In den letzten Jahren haben die Züchter hier intensiv nach kältetoleranteren Sorten, insbesondere beim Deutschen Weidelgras (Lolium perenne), gesucht. Diese Art ist bekannt für ihren frühen Saisonstart und eine relativ gute Kältetoleranz bei der Keimung. Manche Sorten erwiesen sich bei den Tests als sehr robust, und daraus hat der Handel spezielle Nachsaatmischungen für das zeitige Frühjahr zusammengestellt.
Dennoch gilt: Richtig ins Wachstum kommt eine Grasnarbe erst ab Temperaturen von 10 bis 12 °C. Daher wird die Ansaat in der Regel erst ab Mitte/Ende April oder erst im Mai durchgeführt. Denn je wärmer der Boden, desto schneller keimen die Samenkörner und die neue Rasennarbe wird rasch dichter. Dadurch werden Unkräuter oder Fremdgräser verdrängt oder gleich am Keimen gehindert, und es bildet sich eine dichte, homogene Grasnarbe aus.
Diese Zeit fällt jedoch manchmal bereits in die erste Trockenperiode des Jahres, mit allen daraus resultierenden Folgen für die Keimung, Entwicklung und das Wachstum der Gräser. Der Beregnungsaufwand und auch der Pflegeaufwand, zum Beispiel durch das Belegen der Neuansaat mit einem Vlies, steigen, ebenso der Wasserverbrauch. Zudem ist die Bewässerung von Neuansaaten ohne Vlies schwierig und verlangt Fingerspitzengefühl, sollen die Samen nicht verschwimmen oder verschlämmen.
Zur Anwendung kommen in der Regel Nachsaatmischungen nach der RSM Rasen 3.2 Sportrasen – Regeneration mit 100 % Deutschem Weidelgras (Lolium perenne), ohne die sonst üblichen 15 % Wiesenrispe. Das ist besonders im zeitigen Frühjahr sinnvoll, da die Wiesenrispe hohe Anforderungen an die Keimbedingungen stellt und lange für die Keimung benötigt. So werden Mischungen aus 100 % kältetoleranten Sorten von Deutschem Weidelgras zusammengestellt. Kältetolerantes Deutsches Weidelgras keimt zwar bei niedrigen Temperaturen und wächst auch dabei, aber nicht annähernd so rasch wie später, wenn es wärmer wird.
Fertigrasen
Bei Fertigrasen, auch als „Rollrasen“ bekannt, handelt es sich um eine fertige Rasennarbe. Sie wurde über ein bis zwei Jahre auf einem Feld vom Fertigrasenproduzenten gedüngt, gemäht und gepflegt. Nun ist sie erntereif. Geerntet werden kann mehr oder weniger ganzjährig – außer bei Frost, Schnee oder starker Nässe, auch Februar ist kein Problem. Und wenn der Rasen geerntet werden kann, dann kann er auch verlegt werden. Das Spektakuläre passiert jedoch danach – denn der neue Rasen wächst auch schon an! Wie das? Es sind im Februar meist noch keine 10 oder 12 °C, schon gar nicht im Boden!
Aber die Wurzeln haben andere Ansprüche als Blätter oder Triebe der Graspflanze. Sie mögen es kühler. Und so fangen die ersten Wurzeln unserer heimischen Rasengräser bereits bei Bodentemperaturen von 2 bis 3 °C an zu wachsen. Und die neue Rasendecke wurzelt – mit den entsprechenden Nährstoffen und Pflanzenhilfsstoffen versehen – erstaunlich rasch an, weil viele Stressfaktoren des Sommers wie Hitze oder Trockenheit nicht vorhanden sind.
Der frühe Verarbeitungszeitpunkt bietet weitere Vorteile: Durch die niedrigeren Temperaturen ist die Gefahr von Transportschäden deutlich geringer, und nach der Verlegung benötigt der neue Rasen weniger Wasser als im Sommer. So werden die Flächen mit weniger Aufwand schneller wieder nutzbar, was einen Trainings- und Spielbetrieb auf einer intakten, belastbaren Rasennarbe garantiert.
Gute Startbedingungen bieten
So lassen sich geschädigte Torräume oder auch ganze Spielfelder erneuern. Den alten Rasen beziehungsweise das, was davon übrig ist, herausfräsen, den Boden flach aufar-beiten und Nährstoffe und Pflanzenhilfsstoffe einarbeiten. Viele Fertigrasenerzeuger und Düngerhersteller bieten spezielle „Starterdünger“ an. Sie sind insbesondere für Fertigrasen gedacht und enthalten in höherer Konzentration Phosphor (P), den Nährstoff, der das Wurzelwachstum fördert. Viele Fertigrasenerzeuger haben zudem gute Erfahrungen mit dem Spezialdünger Basfoliar Root Booster SL mit Aminosäuren zur Wurzelförderung gemacht.
Verlegt wird versetzt, ohne Kreuzfugen. Die einzelnen Soden liegen eng an eng und auf Stoß. Anschließend werden die Soden mithilfe einer leichten Walze fest an den Boden gedrückt, um sicheren Bodenkontakt herzustellen. Das ist wichtig für die spätere Wasseraufnahme. Unabhängig von der Jahreszeit ist der frisch verlegte Fertigrasen sofort zu bewässern, denn die Sode trocknet auch bei kühlen Bedingungen aus und schrumpft dabei in der Folge. Bleiben Niederschläge aus, ist die Bewässerung so lange zu wiederholen, bis der Rasen sicher angewurzelt ist und sich mit Wasser aus der Rasentragschicht versorgen kann. Je nach Witterung kann das mehr oder weniger Wasseraufwand bedeuten. So früh im Jahr ist in der Regel ein geringerer Aufwand nötig.
Diverse Formate und Mischungen
Zudem bietet Fertigrasen heute mit einer Vielzahl von Formaten viel Flexibilität. Dicksoden (25 bis 30 mm) in verschiedenen Längen und Breiten, auf großen und kleineren Rollen oder gefaltet, eröffnen der Verarbeitung viele Möglichkeiten bis hin zur Selbstverlegung durch angelernte Kräfte. Neben dieser Vielzahl von Formaten gibt es heute eine breite Palette von verschiedenen Rasenmischungen, die als Fertigrasen angeboten werden. Definiert sind sie nach den Vorgaben der „Technischen Lieferbedingungen für Rasensoden aus Anzuchtbeständen“, kurz TL Fertigrasen:
- Gebrauchsrasen – Standard
- Gebrauchsrasen mit Rohrschwingel (Festuca arundinacea)
- Gebrauchsrasen mit Lägerrispe (Poa supina)
- Golfrasen Grün und Abschlag
- Sportrasen
- Kräuterrasen
Die TL Fertigrasen hat mit der Definition von Kategorien bei den einzelnen Anforderungen Maßstäbe gesetzt. Somit müssen sich abgebende und aufnehmende Seite auf die Standards einigen, was von beiden Seiten gegebenenfalls Flexibilität oder den Verzicht auf bestimmte Eigenschaften bedeutet. Da es sich bei Fertigrasen um ein natürliches Produkt handelt, wird es immer eine gewisse Unschärfe geben. „So ist es durch den vorhandenen Anzuchtboden naturbedingt unmöglich, einen Fertigrasen herzustellen, der steril und gänzlich frei von Samen, Tieren oder Pilzen ist. Gerade diese gehören zu einem belebten Boden dazu.“
Neu auch ist die Definition von Mindestanteilen für verschiedene Rasenarten in der projektiven Bodendeckung der fertigen Sode.
- Rotschwingel (Festuca rubra) = 10 %
- Deutsches Weidelgras (Lolium perenne) = 20 %
- Wiesenrispe (Poa pratensis) = 20 %
Lägerrispe (Poa supina) = 30 %
Nicht jeder Anbieter hat alle Rasentypen. Aber zwei verschiedene Typen sind heute bei den meisten großen und mittleren Produzenten üblich.
Fertigrasen hat eine lange Saison, viel länger als Ansaaten, auch wenn die Anbieter in den letzten Jahren versuchen, diese Spanne zu verlängern. Dennoch ist die fertig entwickelte und belastbare Grasnarbe des Fertigrasens vielfach ein wichtiges Argument für die Verlegung. Denn eine Ansaat ist meist günstiger, aber bis eine voll belastbare Rasennarbe entstanden ist, dauert es Wochen und zum Teil Monate. Gerade für kleinere Ausbesserungen auf Sportplätzen, wie sie häufig die Torräume betrifft, ist Fertigrasen heute eine wirtschaftliche und sinnvolle Alternative.
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